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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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war, Mensch, da hat sich doch damals noch kein Mann getraut, den Hausmann zu machen.«
    »Na ja, war halt eine andere Zeit.«
    »Trotzdem. Stell dir vor, ich hab Simone kein einziges Mal gewickelt. Kein einziges Mal.«
    Er sieht sie an, als würde er das Versäumnis am liebsten sofort, hier und jetzt, nachholen. Simone guckt unbehaglich. Heiner lässt nicht locker.
    »Immer nur Plackerei, Plackerei. Viel zu wenig zu Hause gewesen. Und bevor ich michs versah, war mein Täubchen schon erwachsen. Nicht einmal gewickelt. Ein lausiger Papa war ich. Sags ruhig, Simone.«
    »Jetzt lass mal gut sein, Papa. Wenn, dann würde für mich doch das Gleiche gelten, oder?«
    »Aber du wickelst ihn wenigstens ab und zu.«
    »Das hat doch nichts mit Wickeln zu tun.«
    O nein. Jetzt nicht den Schlechte-Mutter-Blues aufkommen lassen. Schnell ein neues Thema. Einfach irgendwas.
    »Sag mal, Heiner, du fährst doch jetzt schon ein paar Jahre Motorrad. Kannst du mir erklären, warum es heutzutage nur hässliche Helme zu kaufen gibt?«
    »Ja, da sagst du was. Überall dieses buntige Gewusel. Gefällt mir überhaupt nicht.«
    »Und der ganze Tierkram.«
    »Ja genau, Adler, Geier, Raubkatzen. Kindisch so was.«
    Heiner hat sich in Fahrt geredet, und Simone entspannt sich. Ich klopfe mir in Gedanken auf die Schulter, während Daniel mal wieder bei Malina andockt.
    »Guck mal Oma, jetzt mach ich einen modernen Ballett.«
    »Und die schlimmsten Helme find ich die, die, wie soll ich sagen, so mit diesen verschlungenen Mustern, also wie buntgefärbtes Unkraut sieht das aus, du weißt, was ich meine, oder?«
    »Ja, ganz übel. Würde man sich nicht zu Hause an die Wand hängen, was?«
    »Nee, wirklich nicht. Ungemütlich wär das. Richtig ungemütlich.«
    »Äh …«
    Das »Äh« kam von Malina. Und es war so ein »Äh«, das einen darauf aufmerksam machen soll, dass eine Situation eingetreten ist, die sofortiges Handeln erfordert. Noch während ich mich umdrehe, wird mir klar, dass ich mich viel zu sehr von der Helmgeschichte habe ablenken lassen und dass die rote Warnlampe, die Daniels letzte Ballett-Ankündigung hätte aufleuchten lassen müssen, einfach ihren Dienst versagt hat. Deswegen erschrecke ich nicht allzu sehr. Das Bild, das sich mir bietet, ist etwa das, was ich mir in der vergangenen Zehntelsekunde schon im Kopf zusammengesetzt habe: Daniel ist nackt und tanzt durch den Raum. Er hat es sogar geschafft, sich die Windel auszuziehen. Modernes Ballett I Le Sacre du Printemps I nackich tanzen. War eigentlich klar.
    Die Gäste um ihn herum sind entweder rot angelaufen oder lachen sich kaputt. Simone sitzt zur Salzsäule erstarrt da. Nur Heiner hat als Einziger noch nichts bemerkt.
    »Und manche, die haben sogar nackte Weiber auf ihrem Helm. Mit so großen … Also für mich wär das jedenfalls nichts.«
    *
    UMPTA ! … UMPATUMPTA ! … UMPTA IHH IHH IHH ! … IHHH ! … UMPATUMPTA !
    »Und DAS hast du ihn wirklich gucken lassen?«
    »Was sollte ich machen? Ich konnte ja nicht ahnen, dass das so … modern ist. Na ja, und dann wollte er es nach ein paar Tagen unbedingt noch mal sehen, und ich hatte ja den Mitschnitt und …«
    »Das ist nichts für Kinder.«
    »Warum nicht? Bloß weil Daniel sich im Restaurant ausgezogen hat? Komm, Simone, lass uns nicht so wie unsere Großeltern sein.«
    Ich kann es nicht glauben. Ich verteidige sozusagen Strawinsky. Immerhin, Simone fängt an einzulenken.
    »Vielleicht hast du recht. Das ist immer wieder diese schwachsinnige Angst, dass die anderen mich für eine schlechte Mutter halten. Eigentlich völliger Blödsinn. Ist doch nichts dabei, wenn sich so ein kleiner Zwerg mal die Windel auszieht, oder?«
    »Genau. Seien wir einfach froh, dass er nicht auch noch auf die Idee gekommen ist, sich öffentlich den Wutz steif zu machen.«
    »Wie bitte?«
    *
    In der Nacht träume ich, dass ich ein Überraschungsei öffne und mir ein Scarlett-Johansson-Bausatz entgegenpurzelt.

10 H ITCHCOCK
    Jeder weiß, aus einer Ouvertüre darf man nicht unbedingt Rückschlüsse auf das ganze Werk ziehen. Manchmal hört sie sich so an, als sei sie dem Komponisten leicht von der Hand gegangen, und manchmal stellt man sich eher vor, dass er beim Schreiben Zeitdruck, Kopfschmerzen, Durchfall und nachmittags einen Termin beim Finanzamt hatte. Ich bin zum Beispiel sicher, dass Tschaikowski großen Spaß bei der Nussknacker -Ouvertüre gehabt hat. Die Dornröschen -Ouvertüre dagegen, na ja. Trotzdem ist die restliche

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