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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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abberufen wurde.
    Ella schlenderte durch den Bogengang in den Kathedralenhof und bewunderte die kunterbunten Häuschen. Sie konnte sich mit dem Schlüssel unter dem Backstein Einlass verschaffen, wenn der Kanonikus seinen Morgenspaziergang unternahm.
    Sie klopfte, aber niemand antwortete. Sie drehte den Türknauf, stellte fest, dass nicht abgeschlossen war, und rief: »Ich bin’s nur, Sir!« Er war aus dem Haus gegangen und hatte in seiner üblichen Vergesslichkeit die Tür offen gelassen. Daher ließ sie die Einkäufe auf dem Tisch stehen, drehte sich um und wollte gehen. Sie wusste nicht, was sie veranlasste, die kleine Treppe hinaufzuschauen, aber ihr Blick erhaschte einen Stiefel, der in eigenartigem Winkel herabhing. In dem Stiefel steckte ein Fuß. Langsam ging sie auf Zehenspitzen hinauf und hatte ein mulmiges Gefühl. Da oben war es zu ruhig und still, und sie bekam es mit der Angst zu tun.
    Ella floh aus dem Hof und zurück in die Stadt. Tränen rannen über ihr Gesicht.
    Sie ging geradewegs ins Earl of Lichfield und zu dem Hocker, auf dem Selwyn sein Bier trank. »Komm schnell … dein Vater. Er hatte einen Unfall … Bitte, komm schnell.«
    Danach war es, als verliefe der Tag in Zeitlupe. Sie hatten ihre Mutter abgeholt und waren zurück zum Häuschen geeilt. Ella war am Fuß der Treppe stehen geblieben, denn sie wollte nicht mit ansehen, was passierte. Mum kam herunter, grau im Gesicht. »Der arme Mann, so plötzlich verschieden.« Sie hatte Selwyn geholfen, ihn auf das Bett zu legen.
    »Er ist tot?«
    »Ja, Liebes, irgendwann gestern Abend, bevor er zu Bett ging. Auf der Stelle … Er wird es nicht gemerkt haben: so ein netter Mann. Er hat uns vor vielen Jahren aufgenommen, mir Arbeit verschafft, ein wahrhafter Christenmensch.« Sie begannen zu weinen, und Selwyn kam die Treppe hinunter.
    »Ich habe ihn hingebettet und werde jetzt den Dekan rufen. Sie werden beten wollen, aber zuerst müssen wir es Celeste sagen.«
    Sie fuhren ausnahmsweise langsam; beide schwiegen, schockiert und traurig, in eigene Gedanken an den Kanonikus versunken. Celeste stand noch immer im Garten und arbeitete wie ein Pferd, ihr rotbraunes Haar zerzaust, schmutzige Handabdrücke auf ihrer Gartenschürze.
    Lächelnd schaute sie auf. »Ihr seid früh dran.«
    Dann bemerkte sie den Ausdruck auf ihren Gesichtern. »Was ist passiert?«
    Ihr Bruder trat vor und führte sie den Garten hinauf.
    Der nächste Tag war angefüllt mit den Planungen für die Beerdigung und den Gottesdienst, Besucher kamen mit Blumen und Kondolenzschreiben vorbei. Das Wohnzimmer sah aus wie ein Blumenladen.
    »Roddy muss zur Beisetzung zurückkommen. Ich möchte, dass er bei uns zu Hause ist«, verkündete Celeste, die ihre Erschütterung und Trauer zu betäuben suchte, indem sie unablässig organisierte. »Ich werde den Potters telegraphieren und sie bitten, ihm die Nachricht beizubringen. Dann sollen sie ihn in den nächsten Zug nach Lichfield setzen. Selwyn wird sich um Papas Angelegenheiten und den Bestatter kümmern. Das Kolleg hat angeboten, den Tee für die Beerdigung zu richten, ist das nicht nett?«
    Die Erwachsenen trugen alle Schwarz, aber Celeste bestand darauf, dass Ella ihre Sommersachen anzog. »Papa konnte Schwarz an Kindern nicht leiden. Er hat immer gesagt, unsere Kinder sind die Hoffnung für unsere Zukunft. Komm mit mir nach Trent Valley zum Nachmittagszug, Ella. Für Roddy wird es schwer sein.«
    Der Morgen verging rasch, und es gab so viel zu tun; sie half Mrs Allen und Mum, die Zimmer zu richten, und versuchte, Celeste beizustehen. Ella hatte den Tod noch nie aus nächster Nähe gesehen. Es bedeutete jede Menge Schwerstarbeit, und sie war sich ihrer Wichtigkeit bewusst, da sie die Familie auf den Unfall aufmerksam gemacht hatte.
    Dann standen sie am Bahnsteig und warteten auf den Zug aus London. Der war ausnahmsweise einmal pünktlich, doch als die Menschen in Scharen ausstiegen, schauten sie auf dem Bahnsteig vergeblich nach Roddy aus.
    »Der dumme Junge, er hat den Zug verpasst!« Celeste schnalzte mit der Zunge. »Aber um sechs Uhr kommt noch einer. Selwyn kann dann hinfahren.«
    Als sie nach Hause kamen, lag auf dem Silbertablett in der Diele ein Telegramm. Celeste riss es auf.
    »Das verstehe ich nicht. Es ist von Pastor Potter. Er sagt, er habe Roddy auf sein Bitten hin vor zwei Tagen zum Zug gebracht … das begreife ich nicht.«
    Selwyn riss es ihr aus der Hand und las es noch einmal. »Was hat er denn da angestellt? Wohin sollte

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