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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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sollte Dir nicht böse sein, aber ich bin es. Ich habe Deinen Brief an mich an einem sicheren Ort verwahrt, aber ich werde ihn noch nicht öffnen. Es ist noch zu früh, denn es gibt immer noch Hoffnung, oder? Du könntest Dich irgendwo bei norwegischen Partisanen verstecken oder von Fischern gerettet worden sein, untergebracht bei guten Menschen und nicht in der Lage, jemanden zu verständigen, damit sie nicht in Gefahr geraten. Ich verstehe Dein Schweigen. Du bist ein so starker Mensch. Du würdest niemals jemanden in Lebensgefahr bringen.
    Deine Eltern halten sich tapfer. Sie sind sofort angereist und haben mich mitleidsvoll angesehen, als ich ihnen sagte, Du würdest nur vermisst. Jetzt weiß ich, wie meine Mutter sich fühlte, als sie ihren Joe und das Baby verlor, warum sie mich festhielt und mich nicht wieder hergeben wollte. Es war ihr Grund, um weiterzuleben. Warum verstehen wir unsere Eltern erst dann, wenn wir selbst Eltern sind?
    Clare tollt herum, ohne Deine Abwesenheit wahrzunehmen. Sie hat so wenig von Dir gehabt, dass es mir das Herz bricht zu denken, sie könnte Dich nie wiedersehen. Wir küssen Dein Foto und sagen dem fliegenden Daddy gute Nacht. Noch reicht das. Bitte komm zu uns zurück, mein Liebling, und wenn Du das nicht schaffst, dann lass mich wissen, dass es Dir gutgeht.
    Ich bete Tag und Nacht, dass mein Glaube daran, dass Du lebst, keine Einbildung ist. Es wäre so grausam, mit falscher Hoffnung weiterzuleben. Oh, Anthony, wo bist Du?
    Celeste fühlte sich hilflos. Sie musste mit ansehen, wie Ella in ihrer Trauer immer mehr abmagerte, wie ihr Blick stumpf wurde. Sie suchte immer nach Beschäftigung, kam kaum zum Atemholen, füllte ihre Tage mit Unterricht, Besprechungen, allem Möglichen, um nicht über ihren Verlust nachdenken zu müssen. Sie trug ein sprödes Lächeln zur Schau, das sie niemals ablegte und das wie eine Fassade wirkte. Hazel kam häufig vorbei, um nach der Freundin zu sehen, aber Ella war selten zu Hause anzutreffen. Es hatte keine weiteren Nachrichten mehr gegeben, und als die Wochen zu Monaten wurden, bedeutete das nichts Gutes für Anthonys Überleben.
    Noch schlimmer war es, dass Ella kein Ventil für ihre Trauer fand. Ihre Werkstatt blieb verschlossen und staubte ein, als hätte sie mit Anthonys Fortbleiben ihre schöpferische Kraft verloren. Ihre unfertigen Arbeiten sah sie nicht einmal mehr an. Sie bereitete ihre Arbeit für die Kunstschule vor und sonst nichts. Der Rest ihrer Aufmerksamkeit galt Clare. Niemand durfte sie außer Reichweite bringen. Clare war gerade im Trotzalter und wurde wütend, wenn sie nicht ihren Willen bekam, und Celeste hatte Angst, Ella könnte sie zu einem kleinen Tyrannen erziehen, wenn sie ihr zu oft nachgab. Es war nur eine Phase, aber Celeste fand, das Kind brauche Disziplin, doch wie sollte sie Ella einen Rat geben, wenn sie nicht gefragt wurde? Sie dachte an das alte Sprichwort: »Eine Großmutter sollte ihren Geldbeutel offen und ihren Mund geschlossen halten.« Aber du bist nicht ihre Großmutter, dachte sie dann, nur eine alte Tante.
    Eines Morgens saß Clare beim Frühstück und weigerte sich, ihr gekochtes Ei mit Toastbrot zu essen. »Clare nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
    »Aber, Schätzchen, du musst doch essen«, bat Ella, »sonst hast du einen leeren Bauch, und der tut weh.«
    »Wenn sie nichts isst, wird sie schon Hunger bekommen. Lass sie ruhig ihren Hunger spüren und gib ihr bis zum Mittagessen nichts anderes«, schlug Celeste vor in der Hoffnung, dass es nicht zu befehlend klang.
    »Aber dann wird das arme Ding halb verhungert sein«, erwiderte Ella.
    »Gut, dann wird sie essen. Denk an all die Kinder, die höchstens einmal im Monat ein Ei bekommen. Sie darf Essen nicht verschwenden«, fuhr Celeste fort.
    »Aber sie ist doch noch ein kleines Kind«, entgegnete Ella.
    »Sie ist nicht zu klein, um erzogen zu werden. Ich meine es doch nur gut.«
    Ella starrte sie kühl an. »Du bist so altmodisch. Clare weiß selbst, was gut für sie ist.«
    »Ach ja? Wer hat denn hier das Sagen, sie oder du? Es wird Zeit, dass du ihr Grenzen setzt. Du musst die Kontrolle übernehmen. Nur weil …« Celeste hielt inne. Sollte sie es wagen, seinen geheiligten Namen auszusprechen? »Nur weil Anthony vermisst wird, darfst du Clare nicht verwöhnen.«
    Jetzt hatte sie Ellas volle Aufmerksamkeit. »Was meinst du damit?«
    »Das Leben muss weitergehen, und solange Anthony nicht nach Hause kommt, bist du ihr einziges Elternteil. Ich

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