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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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erzählte sie Fremden nichts über sich, aber sie waren jetzt kaum noch Fremde. Sie hatten das Schlimmste durchgemacht, was ein Mensch erleben konnte. »Nennen Sie mich doch Celeste … Ich fürchte, meine Eltern haben es ein wenig übertrieben bei mir. Ich war das letzte Kind, das einzige Mädchen in einer ganzen Brüdersippe, und meine Mutter hat dem Himmel für mein Erscheinen gedankt!«
    »Das mit Ihrer Mutter tut mir leid. So weit weg von zu Hause zu leben, muss schmerzhaft sein«, erwiderte May, während sie behutsam Schritt für Schritt unter Deck ging.
    »Papa wird zusammen mit dem anderen pensionierten Geistlichen im Kathedralenhof gut versorgt. Ich muss zurück zu meinem kleinen Jungen. Er ist erst zwei, und er hat mir so gefehlt.«
    »Wir waren unterwegs nach Idaho. Ich hatte die Anschrift, aber jetzt ist sie weg. Wo liegt Akron?« May, das Kind fest an sich gedrückt, schob sich durch den Gang auf eine Tür zu, die sich zu einem weiträumigen Speisesaal öffnete, in dem verloren wirkende Menschen herumsaßen.
    »Das liegt in Ohio, in der Nähe einer Stadt namens Cleveland. Es ist nicht gerade hübsch oder alt, so wie Lichfield, aber ich nenne es wohl mein Zuhause. Amerika ist riesig, Sie werden sich daran gewöhnen.«
    »O nein, ich gehe wieder nach England zurück. Ich kann hier nicht bleiben, jetzt nicht«, erwiderte May.
    »Entscheiden Sie sich noch nicht. Warten Sie ab, wie sich alles entwickelt.«
    »Aber ich möchte zurück. In Amerika haben wir nichts. Das war Joes Traum, nie meiner.« Ihre Lippe bebte. Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt, so weit weg von allem, was sie kannte. »Man wird uns doch eine Rückfahrkarte geben?«
    »Bestimmt.« Celeste wollte sie trösten. »Machen Sie nicht so ein bekümmertes Gesicht. Ich werde Ihnen helfen. Die Reederei White Star Line muss Sie für Ihren Verlust entschädigen. Jetzt muss ich mich erkundigen, ob es etwas Neues von Mrs Grant gibt … ich hoffe, sie hat überlebt.«
    »Danke, Sie sind so nett gewesen.« May begann wieder zu zittern, und Celeste suchte ihr eine Ecke, in die sie sich setzen konnte. »Joe hatte so große Pläne. Ich kann nicht glauben, dass das alles passiert. Womit haben wir das verdient, Celeste?«
    »Wir haben uns lediglich den guten Diensten der White Star Line anvertraut. Die werden sich für all das vor einem Gericht verantworten müssen. Jetzt müssen Sie sich ausruhen. Mit frischen Kleidern und nach einem warmen Bad werden Sie eher wieder Sie selbst. Ich werde Ella mitnehmen und sehen, ob meine alte Dame gerettet wurde. Ihre Kleine ist bei mir sicher und geht den Leuten vielleicht so ans Herz, dass sie mit Informationen herausrücken.«
    »Nein!«, rief May. »Ich meine, bitte, das Kind bleibt bei mir. Ich will es nicht aus den Augen lassen.« Verzweifelt umklammerte May das Deckenbündel. »Vielen Dank, Ma’am, aber wir rühren uns nicht vom Fleck.«
    Die Ärmste konnte Ella nicht aus den Augen lassen. Das muss der Schock sein, dachte Celeste, während sie zurück an Deck ging. Als sie aufschaute, sah sie, dass die Schiffsflagge auf Halbmast wehte. Bald würden sie sich alle zum Gedenkgottesdienst unten versammeln. Sie beneidete den Menschen nicht, der eine so traurige Versammlung zu leiten hatte, aber den Toten gebührte eine letzte Ehre.

19
    May war froh, allein zu sein, weg von bohrenden Fragen, auch wenn sie noch so gut gemeint waren. Celestes Angebot, Ella mitzunehmen, hatte ihren Entschluss ins Wanken gebracht. Sollte sie verschwinden, Ella mit ins Büro des Zahlmeisters nehmen und ihren Fehler eingestehen? Sollte sie das Kind hergeben und sich dann vor der Welt verstecken, allein mit ihrer Trauer? Sie könnte behaupten, ihr furchtbarer Irrtum sei durch Schock hervorgerufen worden. Sie hätte keinen Schaden angerichtet, und sie musste der Dame nicht wieder unter die Augen treten. Celestine. Was für ein Name, den sie mit sich herumzutragen hatte.
    Sie schaukelte das Kind auf ihrem Knie in der vagen Hoffnung, jemand würde es erkennen, aber alle gingen nur wie benommen an ihr vorbei.
Sie hat niemanden, und du hast niemanden, wem schadet es also, wenn du sie als dein eigen ausgibst?
Der innere Kampf, Ella zu behalten oder nicht, tobte wie ein Fieber in May. Irgendetwas musste sich doch aus diesem schrecklichen Ereignis retten lassen. Wenn Ella verwaist war, würde sie vielleicht von reichen Amerikanern adoptiert und jeden Luxus bekommen, der Mays Mittel bei weitem überstieg. Was hatte sie denn? Außer Liebe hatte

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