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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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Bodhisattva Ajahn Chah erlöse mich von meinem Leiden …
    Nailer richtete sich auf. Ihre Finger glitten von seiner Wange wie fallende Orchideenblüten.
    » Sie stirbt«, sagte Pima.
    Die Augen des Mädchens starrten ins Nichts. Ihre Lippen bewegten sich noch immer, doch sie schien immer schwächer zu werden. Ihre Worte waren nur dann zu hören, wenn die Geräusche des Ozeans und der Küste gerade einmal aussetzten: die Schreie der Möwen, die Brandung, das Knarren des Schiffswracks.
    Schließlich verstummte sie ganz. Ihr Körper erstarrte.
    Pima und Nailer wechselten einen Blick.
    Das Gold an den Fingern des Mädchens funkelte verlockend.
    Pima hob ihr Messer. » Bei den Parzen, ist das gruselig! Los, holen wir uns das Gold, und dann nichts wie raus hier.«
    » Willst du ihr etwa die Finger abschneiden, während sie noch atmet?«
    » Lange atmet die nicht mehr.« Pima deutete auf das Bett und die Seemannskiste und die Trümmer, die auf ihr lagen. » Die ist hinüber. Wenn ich ihr die Gurgel durchschneide, tu ich ihr noch einen Gefallen.« Sie kroch näher an das Mädchen heran und berührte ihre Hand. Keine Reaktion. » Außerdem ist sie sowieso schon tot.« Pima nahm einen Finger und setzte das Messer an.
    Das Mädchen riss die Augen auf.
    » Bitte«, flüsterte sie.
    Pima biss sich auf die Unterlippe und schenkte ihr keine Beachtung. Das Mädchen streckte die freie Hand nach Pimas Gesicht aus, aber Pima schlug sie beiseite und verlagerte ihr Gewicht auf das Messer. Blut quoll hervor. Das Mädchen zuckte nicht zurück, sondern schaute nur zu, wie sich die Klinge in ihre braune Haut bohrte.
    » Bitte«, sagte sie noch einmal.
    Nailer lief ein Schauer über den Rücken. » Pima, nicht!«
    Pima schaute zu ihm hinüber. » Wirst du jetzt plötzlich zimperlich? Glaubst du vielleicht, du kannst sie retten? Den weißen Ritter spielen wie in den Kindergeschichten, die dir deine Mama erzählt hat? Du bist nur eine Strandratte, und sie ist eine reiche Schlampe. Wenn sie hier lebend rauskommt, gehört das Schiff ihr, und wir gehen leer aus.«
    » Woher willst du das wissen?«
    » Sei kein Idiot! Wir können nur Bergungsrechte geltend machen, wenn sie das Schiff nicht für sich beansprucht. Das ganze Silber, das wir gefunden haben? Das Gold an ihren Fingern? Natürlich gehört das Boot ihr. Schau dir doch diese Kabine an!« Pima wies mit einer Handbewegung auf die Trümmer, die sie umgaben. » Die ist bestimmt keine Dienerin. Das ist eine stinkreiche Tusse. Wenn sie überlebt, bekommen wir rein gar nichts.«
    Sie wandte sich wieder dem Mädchen zu. » Tut mir leid, Schätzchen. Tot bist du mehr wert als lebendig.« Mit einem Blick zu Nailer fügte sie hinzu: » Wenn du dich dann besser fühlst, kann ich sie ja vorher von ihrem Elend erlösen.« Sie legte dem Mädchen das Messer an den glatten, braunen Hals.
    Die Augen des Mädchens richteten sich flehentlich auf Nailer, aber sie sagte nichts mehr. Starrte ihn nur an.
    » Nein, tu das nicht«, sagte Nailer. » So will ich nicht reich werden … Dann wäre ich keinen Deut besser als Sloth.«
    » Das ist etwas völlig anderes. Sloth war eine von uns. Sie hat einen Blutschwur abgelegt. Und dann hat sie dich im Stich gelassen. Aber diese Tusse?« Pima berührte das Mädchen mit der Spitze ihres Messers. » Die gehört nicht zu uns. Das ist nur eine reiche Schlampe mit einem Haufen Gold am Leib.« Sie verzog das Gesicht. » Wenn wir die abmurksen, sind wir reich. Dann müssen wir nie wieder arbeiten!«
    Das Gold an den Fingern des Mädchens glitzerte verlockend. Nailer versuchte, mit seinen widerstreitenden Gefühlen klarzukommen. Das war mehr Reichtum, als er jemals gesehen hatte. Mehr Reichtum, als die meisten Kolonnen in einem Jahr auf den Wracks verdienten. Und dieses Mädchens stellte all das mit derselben Selbstverständlichkeit zur Schau wie Moon Girl ihre Lippenpiercings aus Stahl.
    Pima ließ nicht locker. » So eine Chance bekommen wir nie wieder, Nailer. Entweder wir stellen uns jetzt klug an, oder wir haben’s für den Rest unseres Lebens vermasselt.« Sie zitterte, und Tränen standen ihr in den Augen. » Mir gefällt das auch nicht.« Ihr Blick kehrte zu dem Mädchen zurück. » Aber uns bleibt keine andere Wahl. Entweder sie oder wir.«
    » Vielleicht gibt sie uns eine Belohnung, wenn wir sie retten«, sagte er.
    » Das glaubst du doch selbst nicht!« Pima sah ihn traurig an. » Das passiert nur in Märchen oder in den Geschichten, die Pearlys Mama ihm erzählt –

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