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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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nicht. Darum musst du dich sofort kümmern.«
    Nailer zuckte mit den Achseln. » Jetzt oder später – was ist der Unterschied?«
    » Weil das immer schlimmer wird!« Ihre Miene versteinerte. » Und dann stirbst du daran. Das ist womöglich ein multiresistenter Keim. Wir müssen ganz schnell etwas tun, sonst stirbst du.«
    Ohne Vorwarnung rammte das Mädchen Nailer den Daumen in den Rücken, mitten in die Wunde hinein. Nailer stieß einen lauten Schrei aus und wich erschrocken zurück. Laut keuchend fasste er sich an die Schulter – die Schmerzen waren so stark, dass er glaubte, das Bewusstsein zu verlieren.
    Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, brüllte er: » Verdammte Scheiße, was soll das denn?«
    » Reiß dich zusammen, Nailer.« Das Mädchen hob beschwörend die Hände. » Du kannst keine Belohnung für meine Rettung kassieren, wenn du tot bist. Mach, das du zum Schiff runterkommst, und dann flicken wir dich zusammen.«
    Pima lachte und klopfte dem Mädchen auf die Schulter. » Langsam benimmst du dich ja wie ein normaler Mensch.« Dann wurde sie wieder ernst. » Sie hat recht, Nailer. Deine Mama wäre echt froh gewesen, wenn sie das Geld für ’zillin gehabt hätte. Möchtest du genauso enden wie sie?«
    Schwitzend und schluchzend. Die Haut in Flammen. Der Hals angeschwollen. Die Augen rot und voller Eiter.
    Nailer bekam eine Gänsehaut. » Also gut, wenn ihr unbedingt Doktor spielen wollt.« Er schnappte sich eine Orange und stapfte den Hang hinunter. » Aber ich werde nicht so enden wie meine Mutter. Ganz bestimmt nicht.«
    Trotz seiner großen Worte fiel es ihm schwer, zum Wasser hinunterzusteigen. Sein Arm und seine Schultern brannten höllisch. Die beiden Mädchen stützten ihn, als wäre er eine alte Frau, und sie brauchten eine halbe Ewigkeit, um ans Ufer zu gelangen.
    Was das Mädchen gesagt hatte, wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Eine Belohnung würde ihm nichts mehr nützen, wenn er tot war. Er versuchte, seine Angst zu verdrängen, aber so einfach war das nicht.
    Er hatte mehr als einmal miterlebt, wie es Leuten ergangen war, deren Wunden sich infiziert hatten und die buchstäblich verrottet waren; hatte Stümpfe voller Maden gesehen, wenn es nach einer Amputation nicht gut lief. Auch wenn er das Maul aufriss, Schiss hatte er trotzdem. Seine Mutter hatte zur barmherzigen Jungfrau Kali gebetet und war dann, von Fieberschmerzen und Fliegen heimgesucht, gestorben. Nailer war abergläubisch genug, um sich zu fragen, ob der Gott der Plünderer vielleicht glaubte, dass Nailer in dem Ölreservoir zu viel Glück gehabt hatte. Ließ er ihn deshalb jetzt sterben, bevor er wirklich etwas davon hatte? Sadna hatte recht. Er hätte dem Plünderergott und den Parzen öfter ein Opfer darbringen sollen. Stattdessen hatte er sein Glück als etwas Selbstverständliches hingenommen.
    Sie erreichten das Meer. Das Schiff hatte sich im Laufe der Nacht fast wieder aufgerichtet – es war jetzt schwerer, an Bord zu klettern. Pima wuchtete Nailer schließlich hinauf, wobei sie all ihre Kraft brauchte, denn er hing an ihr wie ein Sack. Dann ließen sie ihn auf den Carbonplatten liegen und gingen unter Deck.
    Als sie schließlich zurückkamen, schüttelten sie beide den Kopf.
    » Nichts zu machen«, sagte das Mädchen. » Das Meer hat sich alles geholt.« Sie ließ den Blick über das Wrack schweifen. » Im Wasser kann ich nichts erkennen.« Sie schüttelte wieder den Kopf. » Da haben wir wohl Pech.«
    Nailer zuckte mit den Achseln, als würde ihn das alles nichts angehen. » Wenn deine Leute hier eintreffen, können sie mich ja verarzten.« Im Stillen fragte er sich jedoch, wie viel Zeit ihm eigentlich blieb. Er zitterte am ganzen Körper, und obwohl er in der Sonne saß, fror er.
    » Die haben doch Satelliten – da dauert das bestimmt nicht lange, oder?«
    » Ja. Klar.« Aber sie klang nicht überzeugt.
    Pima deutete auf den Schmuck des Mädchens. » Mit deinem Gold können wir Lucky Strike so viel Medikamente abkaufen, wie wir wollen.«
    Das Mädchen wandte ihren Blick von Nailer ab. » Dieser Lucky Strike hat Medikamente?«
    » Klar«, erwiderte Pima. » Der arbeitet für die reichen Säcke aus der Stadt. Die bringen ihm dauernd irgendwelches Zeug mit dem Zug.«
    » Nein.« Nailer schüttelte den Kopf. » Wir dürfen nicht zulassen, dass jemand das Wrack entdeckt. Sonst bleibt nichts mehr für uns.« Ihn fröstelte. » Wir dürfen kein Aufsehen erregen, bevor ihre Leute hier aufkreuzen. Später können wir

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