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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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war offensichtlich, was sie über ihn dachte.
    Wieder schwiegen sie eine ganze Weile. Im Dschungel zeichnete sich ein Dorf ab, eine aus Bäumen und Schatten herausgeschnittene Lichtung, eine kleine Fischergemeinde mitten in den Sümpfen, eine Ansammlung von Hütten mit Schweinen und Gemüse in den Gärten. Für Nailer sah es einladend aus. Er fragte sich, was Nita wohl davon hielt.
    Schließlich teilte sich der Dschungel, und der Zug fuhr auf eine weite Ebene hinaus, wo die Bäume viel kleiner waren. Von ihrer erhöhten Position hatten sie einen guten Ausblick. Sogar aus der Ferne war die Stadt riesig – eine Vielzahl von Nadeln, die sich in den Himmel bohrten.
    » Orleans II «, sagte Tool.

1 7
    Nailer reckte den Hals, um über die Baumkronen hinwegschauen zu können und die marode Metropole auf sich wirken zu lassen. » Da ist bestimmt eine Menge zu holen«, sagte er.
    Nita schüttelte den Kopf. » Du müsstest die Türme zum Einsturz bringen, und dafür bräuchtest du allen möglichen Sprengstoff. Das ist es nicht wert.«
    » Hängt davon ab, wie viel Kupfer und Eisen dabei rausspringt«, erwiderte Nailer. » Man müsste erst mal eine Leichte Kolonne reinschicken, um sich gründlich umzusehen.«
    » Da müsste man ja mitten im See arbeiten.«
    » Na und? Wenn da genug rumliegt, würde sich das schon rentieren.« Er fand es zum Kotzen, wie sie alles besser wusste. Er starrte zu den Türmen hinüber. » Aber wahrscheinlich ist alles, was sich lohnt, schon weg. Das lässt niemand rumliegen.«
    » Trotzdem« – Tool wies mit einer Kopfbewegung auf die zahllosen Gebäude, die vom Dschungel halb überwuchert waren – » wenn man das richtig aufzieht, wäre es einen Versuch wert.«
    Nita widersprach erneut. » Dann müsstet ihr mit den Einheimischen um die Plünderungsrechte kämpfen. Jeden Zentimeter müsstet ihr ihnen abjagen. Wenn es die Verträge und die Handelsmilizen nicht gäbe, wäre sogar die Verladezone umkämpft.« Sie verzog das Gesicht. » Mit solchen Leuten kann man nicht verhandeln. Das sind Wilde!«
    » Wilde wie Nailer?«, stichelte Tool. Seine gelben Augen blitzten amüsiert. Nita lief rot an und wandte den Blick ab. Sie schob sich das schwarze Haar hinters Ohr und tat so, als würde sie beobachten, wie der Horizont an ihnen vorbeiglitt.
    Was auch immer Nita glauben mochte – hier hatten die flüchtenden Menschen eine Menge wiederverwertbarer Materialien zurückgelassen, und wenn Nailer das richtig verstanden hatte, war das nur Orleans II . Darüber hinaus gab es noch das ursprüngliche New Orleans sowie Mississippi Metropolitan alias MissMet – das hätte eigentlich Orleans III werden sollen, doch schließlich hatten sogar die leidenschaftlichsten Befürworter eingesehen, dass der Name » Orleans« nur Unglück brachte.
    Ein paar Architekten hatten behauptet, es sei möglich, an der Pontchartrain Bay gewaltige Hochhäuser zu errichten, die jedem Hurrikan standhalten würden, aber die Kaufleute und Händler hatten genug von der Flussmündung und dem Sturm. Sie hatten die untergegangene Stadt ihrem Schicksal überlassen und waren mitsamt ihrem Reichtum und ihren Familien auf ein Gebiet gezogen, das weit höher über dem Meeresspiegel lag.
    MissMet befand sich ein ganzes Stück flussaufwärts auf einer Anhöhe und war gegen Zyklone und Hurrikane gewappnet wie keine andere Stadt. Bei ihrem Bau war man von Anfang an weniger optimistisch gewesen und hatte die Fehler früherer Versuche vermieden. Nailer hatte gehört, dass dort nur reiche Leute wohnten – die Straßen waren angeblich mit Gold gepflastert, und Wachleute und Stacheldraht hielten den Pöbel fern.
    Lange Zeit war New Orleans eine Stadt gewesen, die für Jazz und Kreol stand, für Mardi Gras und ausschweifende Partys, für Luxus und Verfall. Jetzt stand die Stadt nur noch für eine Sache.
    Untergang.
    Immer mehr düstere Dschungelruinen flitzten vorbei, ein erstaunlicher Reichtum an Materialien, die sich selbst überlassen im grünen Gewirr von Bäumen und Sümpfen verrotteten.
    » Warum haben sie das aufgegeben?«, fragte Nailer.
    » Manchmal lernen die Menschen dazu«, sagte Tool.
    Es war nicht zu überhören, dass die Menschen seiner Meinung nach meistens eben nicht dazulernten. Die Trümmer der beiden Städte zeigten deutlich genug, wie schwer es den Leuten im Zeitalter der Beschleunigung gefallen war zu begreifen, dass sich ihre Lebensumstände veränderten.
    Der Zug näherte sich in einem weiten Bogen den hoch aufragenden Türmen. Die

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