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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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einfach nicht auf
    »Ein Seemann hat nur eine geringe Chance, einen Gegenstand, der ihm über Bord gegangen ist, zurückzubekommen. So findet man geknotete Bändsel an allen beweglichen Dingen, die oben getragen werden: Marspieker und Fids, Farbbüchsen und Schmierfetteimer, Bleistifte, Brillen, Kopfbedeckungen, Schnupftabakdosen, Taschenmesser, Tabak und Geldbeutel, Amulette, Bootsmannpfeifen, Uhren, Ferngläser, Pfeifen und Schlüssel. All das ist am Hals, an der Schulter, am Handgelenk oder an irgendeinem Knopfloch, Gürtel oder Hosenträger festgemacht.«
     
    DAS ASHLEY-BUCH DER KNOTEN

    »Am 21. November lichtete in St. John’s die Galactic Blizzard , ein Eisenbahnfährschiff mit Doppelruder und doppelten Verstellpropellern, Anker mit Kurs auf Montreal«, schrieb Quoyle, dem von seinem frühmorgendlichen Ausflug zu dem havarierten Schiff noch kalt war.
    Am Ufer entlang bildete sich zwar schon Eis, aber es herrschte schönes Wetter. Der Himmel war blau, das Meer ruhig und die Sicht unbegrenzt. Eine Stunde nach der Ausfahrt aus dem Hafen von St. John’s fuhr das Schiff voll auf die südliche Klippe von Strain Bag Island auf. Die Kollision weckte den wachhabenden Offizier, der eingedöst war. »Manchmal paßt man einfach nicht auf«, sagte er zu den Untersuchungsbeamten der Küstenwacht.
    Tert Card polterte zur Tür herein. »Ich fühl’ mich ganz taub vor Kälte«, rief er, blies auf seine rissigen Hände, lehnte seinen breiten Rücken an die Gasheizung, »so eine Kälte so früh im Jahr verleidet einem die Gegend hier ganz. Wie ich heut morgen versucht hab’, die Klippen langzufahren und der Schnee vom Eis her blies, die Scheibenwischer festfroren und das Auto zur Seite rutschte, da hab’ ich mir gedacht: Ist doch erst November. Wie kann das sein? Fing an, über die Verkehrsstatistiken nachzugrübeln. Letzten Januar gab’s in Neufundland Hunderte von Autounfällen. Tote, Verletzte, Sachschaden. In nur einem Monat. So fängt die Sehnsucht an, wenn man an einem kalten Tag wie heut die Klippen entlang-fährt. Erst fragt man sich nur selbst. Dann spricht man’s laut aus. Dann schneidet man die Coupons in den Reisemagazinen aus. Die Broschüren treffen ein. Man legt sie aufs Armaturenbrett, damit man eine Palme betrachten kann, wenn man abnibbelt. Im Februar hält einen nur noch eins aufrecht – das Flugticket nach Florida auf der Kommode. Wenn man bis März durchhält, Junge, dann schafft man’s in den Himmel. Man steigt in Misky Bay in den Flieger, an den Tragflächen hängt soviel Eis und es herrscht ein Höllenwind, daß man zweifelt, ob der Flieger es überhaupt schafft, aber er schafft es, und wenn er runtersteigt und landet, wenn sie die Tür aufstoßen, mein Sohn, ich sag’ dir was: Der Geruch nach heißem Sommer und Sonnenöl und Abgasen läßt einen aufschreien vor Lust. Ein liebliches Plätzchen haben die da unten mit ihren Orangen.« Er holte tief Luft, stieß ein verrotztes Schnauben aus, dachte an glattes gelbes Wasser wie Likör. Sprach Quoyle an: »Also, Junge, hast du diese Woche einen Auto- oder Bootsunfall oder nicht?«
    »Ich würd’ nie da runterfliegen. Ich würd’ keinen Fuß in so ’n Flugzeug setzen.« Billy Pretty schaute von seinen gekritzelten Motiven und seinem überquellenden Schreibtisch auf, rotumränderte Augen, Gesicht wie ein löchriger Teig. »Ich hoffe, du hast alle möglichen Unfälle, Quoyle, weil ich nich’ viel hab’ – noch ein paar unbekannte Leichen und zwei nackte Männer vor Gericht. Einen Kerl haben sie geschnappt, als er aus ’nem Fenster gekrochen kam, beladen mit ’ner Nähmaschine, der Mikrowelle, ’nem Kurzwellenempfänger, ’nem Farbfernseher, und der Fischer und seine bessere Hälfte schlafen oben in ihrem Schlafzimmer weiter, lauter süße Träume, wachten überhaupt nicht auf. Die Polizei sah ihn an einem Nagel am Fensterbrett hängen. Also ab mit ihm nach Killick-Claw in den Knast. Mitten in der Nacht fängt er an zu brüllen und zu johlen, reißt sich alle Kleider vom Leib. Sie meinten, er wär’ ’n Psycho. Schickten ihn zur Beobachtung rüber nach Waterford. Die Sache breitet sich verdammt noch mal aus! Hier ist noch einer. Ein junger Kerl, der Vater ist Fischer unten in Port aux Priseurs, macht ’nen fetten Krabbenfang und kauft dem Jungen ein Pferd. Baut ’nen Stall und kauft dem Jungen ein Pferd. Der Junge wollte ein Pferd. ›All die Möglichkeiten, die ich nie hatte, blablabla.‹ Hatte keine Ahnung von Pferden. Stellte es raus

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