Schiffsmeldungen
Straße nach Flour Sack Cove. Du fährst zweimal am Tag daran vorbei. Graues Haus mit einem Schild ZU VERKAUFEN davor. An der Ecke dort.«
»Mit einem schwarzweißen Lattenzaun drum herum?«
»Genau.« Er kannte das Haus. Ein ordentliches Haus mit blauer Einfassung, hoch oben, der Ausblick einer Seemannsfrau auf den Hafen. »Will am Montag mal sehen, was ich rauskriegen kann. Ist womöglich genau das Richtige für uns. Aber kaufen kann ich es nicht. Ich habe viel Geld in unser altes Haus gesteckt. Es ist nicht mehr viel übrig. Das Geld der Mädchen habe ich für sie auf die Seite gelegt. Also, so sieht’s aus«, sagte er halb zu Sunshine, halb zu Beety. »Ich fahre jetzt zu dem grünen Haus raus und hole den Rest von unseren Sachen. Dann fahre ich zu Alvin Yark rauf und helfe ihm mit dem Boot. Dann schaue ich bei Nutbeem rein, um zu sehen, was mit seinem Boot los ist. Ob sie’s repariert haben. Ob Dennis soweit ist, daß er für heute Schluß machen kann, vielleicht holen wir uns ein paar Pizzas und einen Film auf Video. Wie wär’ das, Beety? Die Lustbestie auf der Pirsch , das ist doch genau die Art Film, die du magst, oder?«
»Nein! Hör auf damit. Warum bringst du nicht eine Komödie mit? Die australische, die du neulich geholt hast, war recht anständig.«
Er fragte sich, ob sie aus dem australischen Lesben-Vampirmord schon einen Film gemacht hatten.
Die Kiesstraße zu Quoyle’s Point – geriffeltes Eis in den Schlaglöchern – hatte nie so erbärmlich gewirkt. Absolute Flaute, und der schwere Himmel drückte aufs Meer. Windstille. Völlige Windstille. Kein Haucher, hätte Billy gesagt.
Der Automotor wirkte unnatürlich laut. Auf dem Boden rollten Bierdosen herum. An der Abzweigung nach Capsize Cove vorbei und ein Rauchfaden, an der Handschuhfabrik vorbei, dann war er bei dem grimmigen Haus, das wie ein Hut auf dem Felsen saß.
Die verlassene Stille. Der schale Geruch. Wie beim ersten Mal. Als hätten sie nie darin gewohnt. Stimme und Energie der Tante ausgelöscht.
Das Haus senkte sich wie eine schwere Last auf ihn, der Druck der Vergangenheit erfüllte die Räume wie geruchloses Gas. In der Ferne atmete das Meer. Das Haus bedeutete der Tante etwas. Band ihn das? Die Küste um das Haus herum kam ihm schön vor. Aber das Haus war fehl am Platz. War immer fehl am Platz gewesen, dachte er. Mit Menschenkraft Meilen übers Eis gezogen, die Ausgestoßenen, die sich an den Seilen abmühten und dem gottesfürchtigen Mob Flüche zuriefen. Mit der Winsch auf den Felsen gehoben. Ächzend. Ein gefesselter Gefangener, der sich bemühte, freizukommen. Das Brummen der gespannten Trossen. Die Schwingung ging ins Haus über, ließ es lebendig wirken. Das war es, in dem Haus fühlte er sich, als wäre er im Innern eines angebundenen Tieres, das zwar keine Sprache hatte, aber Gefühle. Von der brüllenden Vergangenheit verschluckt.
Die Treppe hinauf. Jemand hatte verknotete Fäden auf die Schwelle jedes Zimmers gelegt. Die dreckigen Fingerspuren auf der Schwelle zur Tür des Zimmers, wo die Kinder geschlafen hatten! Quoyle tobte, knallte die Türen.
Er dachte an den Rauch, der von Capsize Cove heraufkam, an das, was Billy über den alten Onkel gesagt hatte, der irgendwo da unten wohnte. Der diese verdammten Knoten band! Quoyle raffte seine Hemden von den Bügeln innen an der Tür, fand Bunnys Stiefel. Keine Extrahandschuhe, soweit er sehen konnte. Und verließ polternd das Haus, die verknoteten Fäden in seiner Tasche.
Er ließ das Auto auf dem Hügel über Capsize Cove stehen. Wollte der Angelegenheit ein Ende bereiten. Von der Straße war nicht mehr viel übrig. Im gefrorenen Schlamm sah er Hundespuren. Hob einen Stock auf, war bereit, eine Töle zu verscheuchen. Oder einen Knotenbinder zu bedrohen. Das verlassene Dorf kam in Sicht, Gebäude, die in steilen Terrassen übereinanderklebten. Skelettartige Gehäuse, Bohlen und Wände verschwunden. Eine blaue Fassade, ein Würfel aus Balken und Latten. Pfeiler, die nichts stützten, die morschen Planken ins Meer gefallen.
Aus einer Hütte am Ufer, eher ein Bootsschuppen als ein Haus, kam Rauch. Quoyle sah sich um, hielt Ausschau nach dem Hund, bemerkte ein an Land gezogenes Skiff, mit einer von Steinen niedergehaltenen Plane bedeckt. Netze und Schwimmer. Ein Eimer. Der Pfad von der Hütte zu einem Außenklo dahinter. Die alten Stellinge zum Dorschtrocknen, Borde für Tintenfische. Drei Schafe auf einem handtuchgroßen Feld, ein Stapel Feuerholz, am Strand
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