Schiffsmeldungen
»Zuerst die drei wichtigsten Teile, den Vordersteven, den Kiel und den Achtersteven. Hab’ meine Mallen, weißte, hat mir mein Vater hinterlassen. Hat damit alle seine Hölzer ausgemessen und zugeschnitten, aber ’ne ganze Reihe von Markierungen sin’ verwischt, und manche waren nie aufgeschlüsselt, so daß man nich’ weiß, was sie bedeuten sollen. Also mach’ ich die drei wichtigsten, weißte, und die Spanten. Dann weiß ich, wo ich steh’.«
Quoyles Aufgabe bestand im Anheben und Hochhalten. Seine Kopfschmerzen waren stärker geworden. Er konnte ihre Form und Farbe spüren, ein riesengroßes Y, das von seinem Hirnstamm um den Schädel herum bis zu den Augen reichte, von rötlich-schwarzer Farbe wie gegrilltes Fleisch.
Alvin Yark schnitt Bodenwrangen, hobelte und glättete, bis sie mit Kiel und Spanten zusammenpaßten wie ein Hand-schlag. Die Teile lagen bereit. Jetzt paßten sie den Achtersteven an die Kielschäftung. Wenn Quoyle sich nach vorn beugte, drohten die beiden Speere seiner Kopfschmerzen, ihm die Augen aus den Höhlen zu treiben.
»Hoch mit dem Steven.« Dann die Spanten auf die Innen-fugen der Wrangen.
»Setzen wir sie zusammen«, sagte Yark und trieb die Vier-Zoll-Stifte ein, befestigte die Bolzen. Er sang: »Ach, die Gandy Goose, die is’ bald leck.«
»Da haste das Rückgrat. Das is’ das Gerippe von dein’m Boot. Du schaust’s dir an, und wennde dich mit Booten aus-kennst, kannste schon das fertige Ding sehn. Aber keiner kann sagen, wie sich’s im Wasser macht, mit Brechern und Wellen zurechtkommt, bis du’s ausprobierst. Außer dem armen alten Onkel Les, Les Budgel. Is’ inzwischen tot. Wär’ jetzt circa hundertdreißig. Baute an der Küste hier schon Boote, bevor ich mein’n ersten Hammer und Nagel gesehn hab’. Baute schöne Skiffs und Dorys, sagenhaft. Sein letztes Boot war’s beste. Trank gern ein’n, der Onkel Les, ja, kippte den Rum literweise die Kehle runter. Wurde alt. Komisch, wie wir’s alle schaffen.«
Bei der Erwähnung von Alkohol dröhnte Quoyles Kopf noch schlimmer.
»Die Frau war tot, die Kinder nach Australien fort. Da ging’n ihm allmählich Beerdigungen, die zwölf Himmelstüren und Särge durch ’n Kopf. Machte sich schließlich dran, sich selber ’nen Sarg zu zimmern. Ging in seine Werkstatt runter mit ’nem halben Teekessel voll Rum und fing zu hämmern an. Hämmerte und sägte die halbe Nacht durch. Dann kroch er wieder ins Haus zurück und schlief sein’n Rausch auf’m Küchenboden aus. Mein alter Dad ging in die Werkstatt rüber, ganz neugierig, den herrlichen Sarg zu sehn. Da stand er, ein Sarg mit Steven und Kiel, schön verplankt und kalfatert, ein kleiner, hübsch gestrichener Zwei-Meter-Sarg. Das beste daran war das Spiegelheck, grade richtig für ’nen kleinen Außenbordmotor. «
Quoyle lachte schwach.
Yark verzapfte ein gekrümmtes Stück Fichte, das er Binnensteven nannte. »Verstärkt den Steven, verstehste. Gibt den Planken Halt – wenn wir je soweit kommen, falls ich so lang lebe.« Er ging in die Hocke, maß, schlug einen Nagel in ein Ende des Kiels, hängte die Schlinge einer Schlagschnur über den Nagel und zog die blaue Schnur bis zu einer Markierung am anderen Ende, zupfte daran. Ein schwacher Nebel aus blauem Pulver, und die Plankenlinie war markiert.
»Denke, wir könnten ’ne Tasse Tee vertragen«, murmelte Yark, wischte sich erst mit dem Handrücken über die Nase, beugte sich dann über die Hobelspäne, um Sägemehl und Schnodder auszurotzen. Sang ein Stück von seinem Lied. »Ach, die is’ bald leck, denn Nut und Bolzen sind ein Dreck.«
Aber Quoyle mußte weiter zu Nutbeems Wohnwagen.
Beim Wohnwagen saßen Nutbeem, Dennis, Billy Pretty und der Schwarzhaarige auf den Stufen; tranken trotz der Kälte Bier. Quoyle würgte es beim bloßen Gedanken. Kein Kran, kein Boot.
»Du siehst ramponiert aus, Quoyle.«
»Fühl’ mich auch so. Wie sieht’s aus?« Er konnte sehen, daß zumindest der Wohnwagen wieder auf seinen Blöcken stand, das Glas zu einem schiefen Haufen zusammengekehrt war.
»Sie ist futsch.« Dennis. »Konnten den Kran nicht beschaffen, aber Carl kam mit seinem Bulldozer. Das war ein Verhau. Hat einfach die Kabine abgerissen. Haben Orvar, den Taucher aus No Name unten, kommen lassen, daß er eine Trosse unter sie legt. Wir ziehn sie ’n bißchen hoch, um sie mit ’ner Leine am Ufer festzumachen, und sie bricht in zwei Teile. Die Flut kam rasch rein, und jetzt sieht’s aus, als wär’ sie
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