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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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weg-getrieben. Sie ist irgendwo da draußen, in zwei Teilen. Also ist sie zu allem Überfluß auch noch ’ne Gefahr für die Schiff-fahrt. «
    »Ich bin so angewidert«, sagte Billy Pretty, Schlamm bis zu den Knien, eine Seite des Gesichts aufgeschürft und wund, die emailblauen Augen unter der Mütze blutunterlaufen. Nippte, als würde er einen Aperitif trinken.
    Nutbeem schluckte einen Mundvoll des kohlesäurehaltigen Gebräus und blickte über die Bucht. Der Himmel schwer und niedrig. Obwohl es erst drei war, sickerte Dunkelheit herein.
    »Ich hätte es ohnehin nicht geschafft«, sagte er. »Sturm kommt auf. Sturmwarnungen, Schneeregen, Schnee, danach eisige Kälte, alles, was dazugehört. Bis Dienstag gibt’s Treibeis. Ich hätt’ es nicht geschafft.«
    »Vielleicht nich’«, sagte Billy Pretty, »aber du hätt’st dein Boot bis zum Frühjahr an Land ziehen können.«
    »Zwecklos, mit Tränen mein Bier zu verwässern«, sagte Nutbeem.
    Ein paar kleine Schneeflocken fielen auf Billys Knie. Er starrte sie wütend an, hauchte sie an, damit sie schmolzen. Es fielen noch ein paar, in weiten Abständen. »Hier haben wir die Federn des Teufels.«
    Aber das Wort hatte Nutbeem. »Ich hab’ meine Pläne im Lauf des Tages geändert.«
    »Bleibst du dann noch ein bißchen? Für das Weihnachtsspiel und die Tage solltest du sowieso bleiben.«
    »Ich glaube, ich werde nie mehr auf eine Party gehen wollen«, sagte Nutbeem. »Es ist wie mit dem Jungen, der immer ein paar Löffel Zucker stibitzte, bis seine Oma ihn vor eine Schüssel mit dem Zeug setzte, ihm einen gewaltig großen Löffel in die Hand drückte und ihm befahl, sitzenzubleiben, bis die Schüssel leer war. Der hatte danach nie wieder Lust auf Zucker.« Blies beim Lachen traurig die Backen auf.
    »Wenigstens kannst du drüber lächeln.« Dennis. Lächelte selber halb.
    »Wenn ich das nicht könnte, würde ich überschnappen, oder? Nein, ich habe beschlossen, zu lächeln, zu vergessen und nach Brasilien zu fliegen. Wärme. Kein Nebel. Das Wasser hat ein schönes Schwimmbadgrün, fast eine David-Hockney-Farbe. Milde Brisen. Vielleicht ist es ja noch möglich, ein paar Monate lang angenehm zu leben. Und der Fisch! O Gott.
    Gelbschwanzsteaks. Es gibt da so eine ganz einfache, einheimische Soße – man nimmt sie zu Fisch, zu anderen Soßen oder Salaten. Man preßt einfach eine Tasse Limonensaft aus, gibt eine gute Prise Salz rein und läßt sie ein paar Wochen lang stehen, dann seiht man sie ab, gibt sie in eine Flasche, Korken drauf, fertig. Sie riecht ziemlich merkwürdig, hat aber einen herrlichen Geschmack. Man träufelt sie auf ein Stück Fisch, der frisch dampfend vom Grill kommt. Und grüne kubanische Soße – Limone, Knoblauch, Wasserkresse, Tabasco, Sauer-rahm und Hummerrogen. Und ich mache ein Curry, ein Muschelcurry, in Kokosmilch gedünstet und mit Streifen von geräuchertem Seglerfisch serviert, das ist, wenn ich so sagen darf, der Himmel auf einem Teller.«
    »Stopp«, sagte Quoyle. Schneeschleier fegten über die Bucht, bestäubten ihnen Schultern und Haare.
    »Mein lieber Junge, ich bin noch nicht mal bis zu den verdammten Schalenkrebsen gekommen. Schalenkrebse, die herrlichen kaisergelben, scharlachroten und ebenholzbraunen Höhepunkte aller Krebse der sieben Weltmeere, die herrlichste Stunde des Epikureers, der Augenblick der Wahrheit bei Tisch. Ich mag sie mit zerlassener Butter, zu der ich einen Schuß saure Limonensoße und ein paar Tropfen Walnußessig gebe, vielleicht eine Spitze Knoblauch.«
    »Beim Kochen bist du ein Dichter, Nutbeem«, sagte Billy Pretty. »Damals, als du mir einen Teller von deinem Robbenflossencurry gegeben hast. Das war ein Gedicht.«
    »Ich kann, glaube ich, mit Sicherheit sagen, daß wir, Billy, die beiden einzigen Menschen sind, die jemals von diesem seltenen Gericht gegessen haben. Und die Krabben. Auf brasilianische Art. Eine große schwarze Eisenpfanne. Man erhitzt ein bißchen Olivenöl, wirft ein paar Knoblauchzehen hinein und gibt dann die Krabben dazu, so wie sie aus dem Meer kommen – erst trocknet man sie aber ein wenig ab. Wenn sie gar sind und ein hübsches Orangerot haben, kippt man sie auf braune Papiertüten, streut ein wenig Meersalz darauf, eine Prise frisch gemahlenen grünen Pfeffer oder einen Spritzer aus der Tabascoflasche und serviert sie auf den Tüten. Einfach die Köpfe abbeißen, das Fleisch mit den Zähnen herausziehen und die Schwänze ausspucken.« Der Schnee fegte über sie. Nutbeems

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