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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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mich Beety anrufen und ihr sagen, daß ich ein bißchen später komme.« Wollte lieber seine Töchter abholen und heim ins Haus der Burkes fahren, ein knarrendes, gemütliches Haus mit vielen Schränken in unvermuteten Winkeln. Das merkwürdigste daran war ein Lampenschirm, der leise knisterte, wenn die Birne warm wurde. Es gab ein Bad mit einer handgetriebenen Kupferwanne, die breit genug für Quoyle war. Die erste Wanne, in die er jemals hineinpaßte. Extrazimmer für Gäste. Falls welche kamen.
    »Dann trinken wir einen Schluck oder zwei, oder zwei.« Tert Card grinste, während der Teufel an den Sehnen seiner Kehle zupfte, als wäre sie eine Gitarre. »Mir nach.« Die Fahrzeuge ächzten durch die Kälte.
    Das Heavy Weather war ein langer Raum mit schmutzigem Linoleumboden und dem Geruch nach verstopfter Toilette, Erbrochenem, abgestandenem Rauch und Alkohol. Hierher kam Tert Card zum Trinken, von hier kroch er nach Hause, kaum imstande, die Stufen hinauf in sein Haus zu kommen. Quoyle dachte, daß er zu Hause vermutlich brüllte. Oder schlimmer. Die paar Male, die er seine Frau gesehen hatte, hatte sie ziemlich verhärmt gewirkt, und die Kinder waren zusammengezuckt, als er Hallo zu ihnen gesagt hatte. Denn er achtete auf kleine Kinder.
    Fluoreszierende Lichtkegel. Eine feste Reihe von Rücken an der Bar. Silhouetten von Männern in Mützen mit Ohrschützern, die man bei Bedarf herunterklappen konnte. Zeigten einander Fotos von Booten. Das Gespräch drehte sich um Versicherungen, Arbeitslosigkeit und Weggehen, um woanders Arbeit zu finden. Quoyle und Tert Card setzten sich an einen Nebentisch voller zusammengeknüllter Servietten. Ein qualmender Aschenbecher. Hinter ihnen zwei alte Säufer in Mänteln und ins Gesicht gezogenen irischen Tweedmützen, nichts als Schals, Stöcke und störrische Knie. Sie saßen dicht nebeneinander auf einer langen Bank. Jeder mit einer Hand am Glas. Es hätte eine Dorfkneipe jenseits des Ozeans sein können, dachte Quoyle.
    »Was willst du trinken?« Tert Card lehnte sich auf den Tisch, bis dieser schaukelte. »Was willst du trinken, sag nichts, sag nichts, Rum und Pepsi.« Und er zog los, kramte in seiner Tasche nach Geld.
    Und wieder zurück im Dämmerlicht.
    Sie tranken. Tert Cards Kehle arbeitete durstig, und er schluckte wieder, hob den Arm, daß die Gelenke krachten, und winkte, streckte zwei Finger in die Luft.
    »Ich hab’ schon Schlimmeres erlebt.« Meinte das Wetter. »Wie dick vor zwei Jahren das Eis an der ganzen Küste war. Die Eisbrecher waren rund um die Uhr unterwegs. Und die Stürme brachen einem das Herz. Erst vor ein paar Jahren hatten wir die erste Dezemberwoche über bitterkalte, kreischende Winde, fünfzehn Meter hohe, wütende Wellen, es war, als würd’ der Grund des Ozeans hochkommen. Du hättest sehen sollen, wie Billy in seiner Ecke saß und am ganzen Leib zitterte, vollkommen durchgefroren. Dann ein, zwei Wochen später die heftigsten Regenfälle seit Menschengedenken. Überschwemmungen und Verwüstungen. Der Damm am Verlorenen Mann brach. Ich weiß nicht, wieviel Dollar Schaden das anrichtete. Die Dezemberstürme sind am trügerischsten, wechselhaft und grausam. In zehn Minuten bist du von ’ner warmen Brise bei ’nem arktischen Blizzard.«
    An der Wand zeigte ein Fischerkalender das letzte Blatt. Die blanken Tische spiegelten. Tert Cards wütendes Gähnen. Draußen Dunkelheit, die längste nächtliche Dunkelheit. Aus einem Radio hinter der Theke sickerte der Wetterbericht. Eine Warmfront. Vorhersage überdurchschnittlich warm.
    »So ein Wetter kriegen wir jetzt. Sturm, dann Kälte, dann Wärme. Ein Jo-Jo, rauf und runter, der kälteste, wärmste, stärkste Wind, die höchste Flut. Als wär’ ’ne Yankee-Werbeagentur mit dem Ganzen beauftragt.«
    Ein alter Mann, über achtzig, schätzte Quoyle, und immer noch im Arbeitsleben, warum nicht, brachte ihnen neue Drinks. Die Haare zur silbernen Bürste gestutzt, die Augen ebenfalls silbrig, gebogen wie Lünetten, der graue Schimmer eines Tropfens unter seiner Nase, in dem sich das Licht fing. Ein Schnurrbart wie Fichtennadeln. Offenstehender Mund, eine Öffnung zum Schädel, mit Blick auf die weiße Zunge, weißes Zahnfleisch. Starrte blöde das Geld an, das Tert Card ihm hinwarf.
    »Ich will dir was sagen«, sagte Tert Card. »Jack und Billy Pretty wissen’s schon. Ich gehe. Ich hab’ genug von Killick-Claw. An Neujahr. Sie wollen mich unten in St. John’s, soll die Hausmitteilungen für die

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