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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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mit einer Hand, daß sie hochstanden. »Verdammt, da kriegst du was gut in Gang und dann is’ Schluß. Sieht so aus, als würd’ ich immer alles notdürftig zusammenflicken müssen.«
    Quoyle lümmelte in seinem riesigen braunen Anorak auf dem Sitz. Der Name von Oscars Robbe war ihm wieder eingefallen. Pussels. So hießen die einheimischen Kammuscheln.
    »Okay, Quoyle, Billy will die Heim-und-Herd-Seite weitermachen, also wirst du Chefredakteur. Du machst Tert Cards Job, stellst das Ding zusammen, übernimmst das Telefon, Aufträge, Rechnungen, Anzeigenkunden, Druckerei. Dem Scheißkerl von Drucker mußt du auf die Finger sehen. Drum fahr’ ich mit dir runter. Wenn man ’nen Fehler machen kann, macht er ihn bestimmt. Wird schon klappen. Ich will, daß du weiterhin die Schiffsmeldungen schreibst.«
    Quoyle schreckte hoch, die Hand halb am Kinn.
    »Möchte Benny Fudge für die Gerichtsmeldungen und Autounfälle ausprobieren, die Geschichten über Sexualmißbrauch. Das Restaurantzeug und die Auslandsmeldungen streichen. Alle kennen sämtliche Restaurants, und was anderswo passiert, interessiert keinen. Das kriegen sie aus dem Fernseher.«
    Der Lkw kletterte die gewundene Straße über das Vorgebirge hinauf, und sie kamen in eine Zone mit lichtem Dauer-schneefall.
    »Was meinst du – sollen wir die Heim-und-Herd-Seite neu aufmachen? Könnten sie ›Lifestyles‹ nennen. Weißt du, Billy und ich überlegen das seit Jahren. Hier gibt’s zwei Arten zu leben. Da is’ einmal die alte Art: sich um die Familie kümmern, sterben, wo man geboren wurde, fischen, sein Holz schlagen, ’nen Garten unterhalten, mit dem auskommen, was man hat. Dann gibt’s die neue Art: auswärts arbeiten, ’ne Stelle finden, wo einem jemand sagt, was man zu tun hat, pendeln, der Bruder is’ in Südafrika, die Mutter in Regina, jedes verdammte blöde japanische Scheißtrumm kaufen, das zu kriegen is’. Von zu Hause weggehn. Losziehn auf Arbeitssuche. Und ’n paar Leuten geht’s damit gar nich’ gut. Quoyle, wir wissen alle, daß der Gammy Bird bekannt ist für seine Vogelhausgrundrisse und guten Rezepte, aber das reicht nicht. Jetzt müssen wir mit elektrischen Garkochern und Verbraucherbonitäten fertig werden, Asphaltauffahrten, Lotterien, Hähnchenimbissen, Edelkaffee aus Gourmetläden, dem ganzen Zeug. Ratschlägen, wie man sich in fernen Städten zurechtfindet. Billy meint, es gibt genug Stoff, um die Heim-und-Herd-Artikel auf zwei Seiten auszudehnen. Er wird dir sagen, was er sich so denkt. Du klärst das mit ihm.«
    »Wir könnten ein paar von denen, die fortgezogen sind, dazu bringen, daß sie ab und an eine Gastkolumne schreiben. Brief aus Australien, Brief aus Sudbury, wie es dort ist«, sagte Quoyle.
    »Das würd’ ich bestimmt lesen, wenn ich einundzwanzig wär’ und fort müßte. Es wird eine andere Zeitung werden. In vielerlei Hinsicht.«
    »Nutbeem konnte mit heiklen Geschichten gut umgehen. Ich weiß nicht, wie Benny Fudge mit den Sexualverbrechen zurechtkommt.«
    »Na, warten wir mal ab und schauen, wie der Kerl sich macht, bevor wir über ihn herfallen, was? Kannst du damit leben, Quoyle?« Kamen in den Verkehr von Misky Bay, ein Kreis namenloser Straßen und steiler Einbahnstraßen bergaufwärts, erschwert durch Schneehügel.
    Er nickte. Schwor sich beim Heiligen Pussel, daß es nie einen Druckfehler geben würde.
    »Komm heut abend zur Stelling rauf, und ich erzähl’ dir das übrige. Okay, also hier biegst du ab, siehst du, dann fährst du hinterm Feuerwehrhaus vorbei. Is’ der kürzeste Weg.«
     
    »Also«, sagte Quoyle, der saß, wo Tert Card gesessen hatte, wenn er auch den Schreibtisch abgeräumt und das Foto von dem Öltanker zerrissen hatte, »was haben wir diese Woche für Meldungen. Benny, wie geht’s dir mit den Geschichten über Sexualmißbrauch und den Gerichtsmeldungen?« Bemühte sich, tief zu sprechen.
    Benny Fudge saß da, die Hände auf seinem sauberen Schreibtisch verschränkt wie in einer Arithmetikstunde. Sein hochgebauschtes Haar erinnerte Quoyle an Eraserhead.
    »Das will ich dir sagen. Ich hab’ so etwa fünfzig von Nutbeems Geschichten gelesen, um zu sehen, wie er mit den Mißbrauchsfällen umgegangen ist, aber so wie er krieg’ ich das nicht zusammen. Ich hab’s versucht, weil ich das Gefühl gehabt hab’, als wär’ ich’s Nutbeem schuldig. Wegen dem Boot. Aber ich hab’ keinen Schwung reinbekommen. Besser schaff’ ich’s nicht.«
    Am Dienstag wurde eine Anklage wegen Inzest

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