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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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hielt, während der alte Mann sie mit kräftigen Zwingen, die er Stützschoren nannte, am Boden befestigte.
    »Jetzt zapfen wir den Achtersteven ein, mein Sohn.« Verbolzte die Spanten, daß das Metall sich rasch ins Holz fraß. Legte die Hände auf die Hüften und beugte sich zurück, ächzend. »Können auch aufhören, solang wir so ’nen Vorsprung haben. Is’ Wavey da?’‹
    »Ja. Und die Kinder.«
    »Man braucht Kinder um ein’n rum. Halten ein’n jung.« Räusperte sich und spuckte in die Hobelspäne. »Wann macht ihr zwei Nägel mit Köpfen?«
    Er schaltete das Licht aus, drehte sich im Dämmerschein der Werkstatt um und sah Quoyle an. Quoyle war sich nicht sicher, was er damit meinte. Der Spalt von Yarks Mund ging in die Breite, weniger ein Lächeln als vielmehr ein Aufbrechen von Nähten, das zu der unverblümten Frage gehörte. Um Quoyles Nähte aufzubrechen. Und andere unterschwellig mit einbezogene Nähte.
    Quoyle atmete weiter aus wie einer, der schwer arbeitet.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    »Liegt’s an dem Jungen?«
    Quoyle schüttelte den Kopf. Wie sollte er es sagen? Daß er Petal liebte und nicht Wavey, daß sein ganzes Liebesvermögen in einem raschen Auflodern aufgezehrt worden war. Der Moment war gekommen, und der Funke hatte gezündet, und für manche ging er niemals aus. Für Quoyle, der Liebe mit Jammer gleichsetzte. Alles, was er bei Wavey empfand, war Wohlbehagen und eine bescheidene Freude.
    Aber er sagte: »Es liegt an Herold. Ihrem Mann. Er geht ihr immer im Kopf rum. Sie hängt sehr an seinem Andenken.«
    »’erold Prowse!« Der alte Mann schloß die Tür. »Laß dir von mir was über ’erold Prowse erzählen. An manchen Orten hat man Seufzer der Erleichterung gehört, als er vermißt wurde. Hast du schon ’n Mann gekannt, der wie ’n Kater is’? So einer war ’erold. Er verspritzte seine Bankerte die Küste rauf und runter von St. John’s bis Go Aground. Unten in Misky Bay war’s das reinste Gesellschaftsspiel, Säuglinge und kleine Kinder anzublinzeln, um zu sehen, ob sie ’erold ähnlich waren. Und oft war das der Fall.«
    »Wußte Wavey das?«
    »Natürlich wußte sie’s. Er hat ihr das Leben zur Hölle gemacht. Hat sie mit der Nase draufgestoßen. Verschwand wochen- und monatelang, trieb sich rum. Nein, mein Junge, mach dir keine Sorgen wegen ’erold. Wo’s drum ging, die Erinnerung an ’erold frisch und in Ehren zu halten, da wurd’ er natürlich zu ’ner tragischen Gestalt. Was hätt’ sie sonst tun sollen? Und dann war noch der Junge da. ’nem Jungen, der unter solchen Umständen auf die Welt kommt, kann man ja nich’ sagen, daß sein Dad ’ne Ratte war. Ich weiß, daß sie ein Trara um ’erold macht. Aber wie weit kommt sie damit?« Er machte die Tür wieder auf.
    »Wahrscheinlich nicht weit weg von Herold«, sagte Quoyle, der rhetorische Fragen beantwortete.
    »Kommt drauf an, wie du’s siehst. Evvie hat Schwarzbrot gebacken. Schaun wir, daß wir was abkriegen, mit ’ner Tasse Tee.« Klopfte Quoyle auf den Arm.
    Die Robbenjagd begann im März, ein paar Ausländer draußen auf der Front, der blutigen Front vor Labrador, wo die Sattelrobben im Schutz von Eishügeln warfen und sich häuteten. Jahrhundertelang. hatte der Mensch dort gewütet, hatte die Tiere verbrannt und erfrieren lassen und ertränkt, hatte erst damit aufgehört, als es in roter Farbe vom Fernsehen gesendet wurde – das Erschlagen von Robben.
    Tausende von Robben kamen auch in die Buchten, und aufgeregte Landratten jagten ihnen in jedem Gefährt nach, das zwischen den Eisschollen brauchbar war.
    In der fluoreszierenden Helligkeit um vier Uhr morgens trank Jack Buggit die letzte Tasse Tee, holte sich von dem Haken hinter dem Ofen Jacke und Kappe. Steckte die Hände in von seiner Frau gestrickte Fäustlinge, nahm das Gewehr, schob eine Schachtel Patronen in die Jackentasche. Schaltete das Licht aus und tastete sich durch das Dunkel zum Riegel. Die Tür ging lautlos hinter ihm zu.
    Die kalte Luft füllte seine Kehle wie Eiswasser. Der Himmel ein Netz, seine Maschen voll funkelnder Sterne.
    Unten an der Stelling lud er seine Ausrüstung in das reifumränderte Skiff. Gewehr, Keule – wünschte, er hätte einen norwegischen Hakepigg gehabt, ein brauchbares Instrument, um wieder aufs Eis zu kommen, falls man hineinfiel. Tja, ein Fischer mußte ein Risiko eingehen. Sein Robbenjägermesser, Antigilbmittel, Axt, zerstoßenes Eis, Eimer, Nylonbesen, Schnur, Plastiktüten. Denn Jack

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