Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
hinunterraste. Dieser namenlose Wind, der über den Felsen Neufundlands wie mit einer Stahl-klinge schabte.
    Billy nuschelte Gebete in sein Kissen – für die armen Seelen, die es in dieser Nacht auf den Wellen erwischte, auf einer See, die mit meilenlangen Schaumbändern gestreift war. Die steifen Tanker, alte Trawler mit schwachen Rümpfen würden auseinanderbrechen.
    Schließlich mußte er aufstehen. Der Strom war weg. Er suchte im Dunkeln herum, fand die Taschenlampe und leuchtete zum Fenster hinaus. Sah nur ein paar Zentimeter weit, nichts außer Schnee, der so schnell wirbelte, daß er die Luft zum Leuchten brachte.
    Vorsichtig öffnete er die Tür, spürte, wie sie einen Satz machte, als der Wind gegen sie donnerte. Und schloß sie mit Mühe wieder. Ein Schneefächer auf seinem Küchenboden, der Abdruck seiner nackten Füße darin. Jedes Fenster im Haus klapperte, und draußen ein Geschepper rollender Eimer, klatschender Taue, platschender Planen inmitten des Tosens. Die Drähte zwischen seinem Haus und dem Strommast klagten in Dissonanzen, die ihm die Haare zu Berge stehen ließen. Die Kälte kam geradewegs von den Gletschern, raste den dampfenden Ozean herab. Er warf Holzscheite auf die Kohlen, aber der Kamin zog kaum. Der Wind, dachte er, blies so fest, daß er wie eine Kappe über dem Kamin lag. Wenn das möglich war.
    »Das bläst ja ’nem Hund den Pelz weg«, sagte er. Und seine eigene Hündin, Elvira, zuckte mit den Ohren, die Haut auf ihrem Rücken zitterte.
     
    Im Haus der Burkes lauschte die Tante dem Takt der See, ein Trommelgeräusch, das durch die Beine des Betts herauf-wanderte. Die Straße hinauf erkannte Mrs. Buggit das Kreischen eines ertrinkenden Sohnes, der nach Luft schnappte. Stocksteif zwischen den Laken erfuhr Herry Unermeßlichkeit, wurde zu einer einsamen Ameise in einem riesengroßen Saal. Und unten in St. John’s zitterte der alte Onkel in seinem weißen Bett vor Vergnügen über das, was er mit Windknoten heraufbeschworen hatte.
    Bunny aber stieg den heulenden Kamin hinauf, segelte gegen den Wind über die Bucht zu dem Felsen, wo das grüne Haus gegen die Trossen kämpfte. Sie legte sich auf Stein, blickte auf. Eine Schindel hob sich, flog davon. Eine Reihe Ziegel fiel vom Kamin wie Spielkarten. Jede der angespannten Trossen rief gleich einem brüllenden Stier jeweils einen anderen Ton, der wahnsinnige Baß fuhr in den Felsen, die Bretter und Bohlen des Hauses vibrierten. Die Wände klapperten, warfen Nägel auf die ächzenden Böden. Das Haus strebte dem Meer zu.
    Ein Knarzen, ein Pfeifen, als eine Trosse riß. Glas barst. Das Haus schlingerte auf knirschenden Balken. Die Trossen schrillten.
    Flach auf dem Rücken liegend, sah Bunny zu, die Arme ausgestreckt wie ein gepfählter Gefangener, unfähig, sich zu bewegen. Das Haus wurde an der befreiten Ecke angehoben, sank, wurde angehoben. Glas brach. Eine zweite Trosse riß. Jetzt hob sich die ganze Rückseite des Hauses, als würde das Gebäude einen Knicks machen, senkte sich wieder. Krachende Balken, Glassplitter, drinnen schlitterten die Pfannen und Töpfe und Betten und Tische über die Böden, eine Schublade mit Löffeln und Gabeln rutschte die Schräge hinab, die Treppe löste sich auf.
    Eine Windbö zerrte das Haus nach Osten. Die letzten Trossen rissen, und in einem langsamen Riesenlooping kippte das Haus vornüber.
    Kreischend. Wach. Über den Boden robbend, um wegzukommen. Der Wind draußen bewies den Alptraum. Quoyle mit einem Satz durch die Tür, packte das strampelnde Kind. Er hatte Angst um seine Tochter. Die wahnsinnig vor Entsetzen war.
    Doch nach zehn Minuten war sie ruhig, schluckte eine Tasse heiße Milch, hörte sich Quoyles vernünftige Erklärung an – Windgeräusche lösten Alpträume aus -, sagte ihm, sie könne wieder einschlafen, wenn Warren die Zweite auf ihrem Bett schlafen dürfe. Als er sie vorsichtig fragte, was sie geträumt hatte, konnte sie sich nicht erinnern.
     
    Quoyle brachte eine Sondernummer des Gammy Bird heraus: UNSERE ZERSCHLAGENE KÜSTE. Mit Fotos von Booten auf den Straßen, liegengebliebenen Schneepflügen. Tausende von Geschichten, sagte Billy Pretty mit müder Stimme. Vermißte Schiffe, über vierzig Männer, drei Frauen und ein Kind zwischen der Großen Neufundlandbank und dem St.-Lorenz-Schiffahrtsweg ertrunken. Boote zertrümmert und Ladungen verloren. Benny Fudge brachte Fotos von Hauseigentümern, die ihre zugewehten Pickups ausgruben.
    Der Wetterbericht sagte eine Hitzewelle

Weitere Kostenlose Bücher