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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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von meinem Boot. In der Zeitung kann man nicht reden. Will Ihnen ein paar Takte zu dem Boot sagen, das Sie gekauft haben. Der alte Buggit war ja ziemlich heftig deswegen, aber Sie können das Ding schon brauchen. Seien Sie nur vorsichtig. Hier ist sonst niemand, mit dem ich reden kann. Ich habe mit keinem geredet, seitdem ich hier bin. Acht Monate habe ich kein zivilisiertes Wort mit jemand gewechselt. Da habe ich mir gesagt: Ich schaue einfach mal vorbei und lerne Miss, Mrs. …«
    »Hamm«, sagte die Tante. »Ms. Agnis Hamm.« »Freut mich, Ms. Hamm. Wissen Sie, eine der Tragödien des wirklichen Lebens besteht darin, daß es keine Hintergrund-musik gibt. Ich habe ein paar von meinen Kassetten mitgebracht. Ein bißchen jemenitische Blechbüchsenmusik, ein bißchen algerischen Rai, ein paar von den Pop-Dichtern. Derlei Zeug. Falls Sie einen Kassettenrecorder haben. Nein? Ist ein ziemliches Loch hier, was? Na, Sie müssen mich mal besuchen und sie anhören. Obwohl es bei mir sehr eng ist. Ich lebe in einem Wohnwagen. Aber Sie werden es ja sehen. Sie müssen einmal eins von meinen Currygerichten probieren. Ich habe sogar ein paar Kassetten von hier, wissen Sie. Diesen kauzigen Jungen, den ich in Fly-by-Night aufgenommen habe, wo ich gestrandet bin; der ist ein Experte in der sogenannten Chin Music, bei der ohne Instrumente nur gesummt wird; er entscheidet sich einfach für einen Ton und läßt dann so einen unglaublichen nasalen Fluß von Unsinnssilben herausströmen. Wie ein Tabakversteigerer. ›Wääh-judl-judl-judl-judl-wääh-hudl-hoh! ‹«
    Die Tante stand auf. »Meine Herren, ich habe einen langen, schweren Tag hinter mir und komme bald um vor Hunger. Was haltet ihr davon, wenn wir in den einzigartigen Speisesaal des Tickle Motel hinuntergehen und einen schönen Teller Dorschbacken zu uns nehmen? Mr. Nutbeem?« Überlegte, ob seine breite Nase die Originalfassung oder plattgeschlagen worden war.
    »Ach, ich habe schon gegessen. Curry, um genau zu sein. Aber ich begleite Sie nach unten. Sie können essen, und ich rede. Na ja, vielleicht trinke ich ein Bier.«
    Quoyle bestellte die gebratene Bologneser Wurst. Das war das einzige auf der Karte, was er noch nicht probiert hatte, aber Abend für Abend hatte er Gäste an den Nachbartischen beobachtet, wie sie schlangen und kauten, meinte, es sei eine Spezialität des Hauses. Der Teller kam vollgeladen mit dicken Kringeln Bologneser Wurst, Bratkartoffeln und Soße, Rüben aus der Dose und einem Batzen grüner Bohnen aus der Dose, alles in der Mikrowelle heiß gemacht. Die vorherrschenden Eindrücke waren brutzelnde Hitze und Salzgehalt über die Maßen. Die Tante stützte sich auf die Hand, schien Nutbeem zuzuhören.
    »Da war ich also, hing bei den Bootsliegeplätzen herum, in den Kneipen, die von den Bootsbauern besucht wurden, trank lang an meinem Glas Bier, hörte mir alles an, stellte ein paar Fragen. Ich verstand, wohlgemerkt, nichts von Booten, hatte außer einem Regalbrett für den Toaster meines Onkels nie etwas gebaut, war nie gesegelt, hatte noch nicht einmal eine Seereise unternommen. Ich war immer geflogen. Aber ich hörte sehr begierig zu und beschloß, es zu tun. Die Idee packte mich.
    Schließlich kam ich auf etwas, das ich zu bauen imstande war und das schwimmen würde. Eine abgewandelte chinesische Dschunke aus Sperrholz mit voller Luggertakelung. Wissen Sie, die Chinesen haben mehr vom Segeln vergessen, als der Rest der Welt jemals wußte. Sie erfanden den Kompaß, sie erfanden die wasserdichten Abteilungen, sie erfanden das Heckruder und das funktionstüchtigste Segel der Welt. Dschunken sind uralte Schiffe, über fünftausend Jahre alt, und äußerst seetüchtig, gut geeignet für lange Fahrten. Und nach den chinesischen Dichtern war ich schon immer verrückt. «
    »Das ist ziemlich salzig«, sagte Quoyle wie als Entschuldigung zur Bedienung. »Ich glaube, ich brauche ein Bier. Wenn Sie dazu kommen.«
    Das rote Gesicht der Tante war gesenkt, Klammerzeichen um den Mund wie Schraubzwingen. Unmöglich, zu wissen, ob sie Nutbeem zuhörte oder über den Himalaja flog.
    Nutbeem trank sein Lagerbier aus und bestellte noch eines. Wenn das Mädchen schon dastand. »Die ganze Zeit über schrieb ich Buchbesprechungen für eine versponnene Zeitschrift, die sich einer Art von Kritik verschrieben hatte, die außer den Leitenden keiner verstand. Ziemlicher Mist. Und indem ich meinen Onkel ausquetschte und von Schafskopfsuppe lebte, brachte ich es fertig, so

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