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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Hund«, sagte Wavey. Ein Holzhund mit einem Seilschwanz und einem Blechdosenhalsband. Auf einem Stock. Auge wie ein Furunkel.
    Im Rückspiegel sah er Waveys Bruder über die Straße auf sie zukommen. Der andere Mann sah aus der Ferne zu, hielt das Netz, die Hände still.
    Wavey zog Herry aus dem Wagen. Er reckte sein Gesicht in den Sprühregen, schloß die Augen, spürte, wie die Tröpfchen ihn berührten wie kalte, feine Haarspitzen. Sie zog ihn zur Tür.
    Quoyle streckte dem näherkommenden Mann die Hand entgegen, wie er es bei einem unbekannten Hund hätte tun können, der auf ihn zu stakste.
    »Quoyle«, sagte er, und sein Name klang wie eine Aus-flucht. Der Fischer drückte ihm kurz die Hand.
    Ein Gesicht wie Waveys hageres Gesicht, aber gröber. Ein junger Mann, der nach Fisch und Regen roch. Sehnen und Muskeln, die bis ins neunte Jahrzehnt hielten.
    »Haben Wavey heimgefahren, was?«
    »Ja.« Seine weiche Hand war ihm peinlich. In dem Haus hinter dem aufsässigen Holzzoo bewegte sich ein Vorhang.
    »Da ist Dad und spioniert«, sagte Ken. »Kommen Sie rein und trinken Sie ’ne Tasse Tee.«
    »Nein, nein«, sagte Quoyle. »Ich muß wieder zur Arbeit. Hab’ Wavey nur kurz gefahren.«
    »Laufen hält einen munter. Sie haben doch den Koffer mit dem Kopf drin gefunden. Hätte mir den Magen umgedreht. Sie sind auf der Landzunge da drüben.« Zeigte mit dem Kinn. »Dad sieht Sie da drüben an schönen Tagen durch sein Fern-rohr. Haben ein neues Dach auf das alte Haus gemacht?«
    Quoyle nickte, stieg wieder in sein Auto. Aber seine farblosen Augen waren warm.
    »Fahren Sie zurück? Ich komm’ mit bis zu mein’m Netz«, sagte Ken, schritt vorne um das Auto und ließ sich auf Waveys Sitz plumpsen.
    Quoyle setzte zurück und wendete. Wavey war fort, in ihr Haus verschwunden.
    »Kommen Sie jederzeit vorbei und besuchen Sie sie«, sagte Ken. »Es ist wirklich schade mit dem Jungen, aber er ist ein guter, kleiner Kerl, eine arme kleine Landratte.«
     
    »Sehr geehrte Herren«, schrieb Dawn. »Ich möchte mich bei Ihnen ...«

23
    Maleficium
    »Die geheimnisvolle Kraft, die Knoten angeblich innewohnt ... kann schädlich, aber auch segensreich sein.«
     
    QUIPUS UND HEXENKNOTEN

    Quoyle strich. Doch gleich, was sie mit dem Haus anstellten, dachte er, es behielt sein schauerliches Aussehen, verlor nichts von jenem ersten bedrohlichen Eindruck hinter dem Nebelvorhang. Wie hatte es wohl ausgesehen, als es neu und unbehandelt auf der Guckinsel stand oder als es über das knirschende Eis gezogen wurde? In ihm setzte sich die Idee fest, daß die Reise das Haus aus den Fugen gebracht, das Holz zu seltsamer Geometrie verzerrt hatte. Und ihn schauderte noch immer vor dem starren Auge des weißhaarigen Mannes, dem direkt auf ihn gerichteten stumpfen Glotzen.
    Das Interesse der Tante, alles herzurichten, erlahmte, schweifte ab zu etwas Persönlichem in ihrem Zimmer, wo sie auf ihrem Bett lag und eine Stunde lang zur Decke hoch-starrte. Oder sie stand mit einem Gähnen auf, einem kurzen Lachen, sagte: Also, dann wollen wir mal. Zurückgekehrt von wer weiß wo.
    Die Wochenenden kamen auf folgendes heraus: die Tante in ihrem Zimmer, beim Herumstöbern oder beim Spazieren-gehen. Quoyle beim Freischlagen seines Pfads zum Meer, die Kinder im Moos hockend, um Insekten zu beobachten, wie sie sich Stengel hinaufmühten. Oder er hackte Holz gegen künftige Kälte. Dachte an Partridge, begeisterte sich am Kochen neuer Gerichte und ließ die Kinder ihre Finger in Vermengtes und Übergeschwapptes tunken; ließ Bunny manchmal das Schälmesser benutzen. Während er in der Nähe war.
    Ende August stand eine Schüssel mit geputztem Tintenfisch auf dem Küchenregal. Quoyles Vorhaben: Linguine Calamari, wenn er mit dem Streichen fertig war. Denn er schuldete Partridge einen Brief. Die Tante kündigte einen Salat an – trotz erschlaffendem Kopfsalat und blassen Treibhaustomaten.
    »Wir hätten einen kleinen Garten anlegen können«, sagte sie. »Wenigstens unseren Salat selbst ziehen. Das Zeug vom Supermarkt ist ja nicht genießbar. Der Sellerie angefault, der Salat sieht aus wie gekocht.«
    »Wavey«, sagte Quoyle. »Wavey sagt, Gelbdolden sind besser als Spinat. Man kann sie an der ganzen Küste pflükken. «
    »Nie davon gehört«, sagte die Tante. »Ich bin nicht so für Wildpflanzen.«
    »Es ist wie mit wilder Meerpetersilie«, sagte Quoyle. »Davon könnte ich was in die Calamarisoße geben.«
    »Ja«, sagte die Tante. »Versuch’s mal. Was es

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