Schiffstagebuch
und grausamste Seeräuber war Laurens Cornelis Boudewijn de Graaf, »Lorencillo«, der 1685 mit 700 Mann und 6 Schiffen die Stadt eroberte und dem Erdboden gleichmachte. Nichts will die Stadt mehr davon wissen, der niederländische Ahne sieht mich aus seinem romantischen Porträt an, als wolle er in seiner und meiner Sprache noch etwas zu mir sagen, doch ich bin bereits weitergeschlendert in eine noch ältere Vergangenheit und starre im Anthropologischen Museum auf das undurchdringbare steinerne Testament der Maya, querköpfige Männer mit Federschmuck, die nie frontal dargestellt sind, Götter und Krieger, die ich in derselben Woche in Uxmal und Chichén Itzá auf den Mauern ihrer abgebröckelten, halb im Urwald versunkenen Pyramiden wiedersehen werde, die mich so klein machen wie die einstigen Gefangenen und Untertanen.
Hausfassaden von Campeche
»Und wenn der Tag gekommen war, versammelten sie sich im Hof des Tempels; sollte der Sklave mit Pfeilschüssen getötet werden, so zogen sie ihn nackt aus, bestrichen ihm den Körper mit blauer Farbe und setzten ihm eine Büßermütze auf den Kopf; nachdem der Teufel ausgetrieben war, vollführten die Leute mit ihm einen feierlichen Tanz, wobei sie alle mit Pfeil und Bogen den Holzpfahl umkreisten, während des Tanzes richteten sie ihn am Pfahl auf und banden ihn fest, dabei tanzten sie immer weiter und blickten ihn alle an. Der schmutzige Priester, der seine Tracht angelegt hatte, stieg hinauf und verwundete ihn mit einem Pfeil in der Schamgegend, gleichgültig, ob es eine Frau oder ein Mann war; er zapfte Blut ab, stieg herunter und bestrich damit die Gesichter des Teufels; dann gaber den Tänzern ein bestimmtes Zeichen, und sie liefen wie im Tanz schnell vorbei und beschossen der Reihe nach mit Pfeilen sein Herz, das mit einem weißen Flecken angegeben war; und solcherart richteten sie ihn sogleich dermaßen zu, daß er wie ein Igel aus Pfeilen aussah.«
Das Wort hat Diego de Landa, der Bischof von Yucatán, eine der Gestalten, durch die die Gespaltenheit einer Epoche sichtbar wird. Einerseits sind die Maya für ihn Heiden und Götzendiener, die er bekehren muß. Er ist kein »unheiliger«, sondern vielmehr ein heiliger Priester, weil sein Gott der wahre ist. Andererseits hat er nicht nur Blick für die Kultur der »Wilden«, die er dort vorfindet, sondern auch für das grausame Auftreten der Spanier, seiner Landsleute. Er vertieft sich in Sprache und Bräuche, Geschichte und Religion der Maya, ihr astronomisches Wissen und ihre faszinierende Zeitrechnung, und schreibt zwischen 1563 und 1572 sein Buch. Auf englisch heißt es An Account of the Things of Yucatán , und was wir von den Maya wissen, stammt in erster Linie von ihm. Derselbe Mann, der ihre Götzenbilder zerschlug, bewahrte gleichzeitig ihre Geschichte für alle Zeiten. Zwei fatale, absolutistische und ihrem Wesen nach grausame Systeme prallten durch die spanische Eroberung Mexikos aufeinander, und diese unglückliche Konfrontation hat das Schicksal Lateinamerikas bis zum heutigen Tag bestimmt. Denn wenn die Indios aus religiösen Gründen grausame Bräuche pflegten – ihre christlichen Beherrscher standen ihnen in nichts nach. De Landa ist der erste Berichterstatter und Chronist dieser Kultur, und seine Schilderungen vermitteln ein Bild von der sinnlosen und bösartigen Gewalt, die man auf diesem Kontinent bis heute nicht vergessen hat. »Die Indiosnahmen das Joch der Knechtschaft widerwillig auf sich, doch die Spanier hatten die Orte so gut unter sich aufgeteilt, daß sie sich des ganzen Landes bemächtigten, obwohl es bei den Indios nicht an Aufwieglern fehlte, worauf sehr grausame Strafen verhängt wurden, welche die Leute einschüchterten. Einige Oberhäuptlinge der Provinz Cupul wurden lebendig verbrannt und andere erhängt. Es wurde ein Verfahren gegen die Einwohner von Yobain (...) eingeleitet, und man nahm die Oberhäuptlinge fest, legte ihnen Fußeisen an und sperrte sie in ein Haus, das man anzündete, und mit allergrößter Grausamkeit wurden sie lebendig verbrannt; und ich, Diego de Landa, kann sagen, ich habe in der Nähe des Ortes einen großen Baum gesehen, an dessen Zweigen ein Hauptmann viele indianische Frauen aufhängte und ihre kleinen Kinder an ihren Füßen. In demselben Ort und in einem zwei Meilen von ihm entfernten anderen, den sie Verey nennen, erhängte man zwei Indias, eine Jungfrau und eine Neuvermählte, deren einzige Schuld darin bestand, daß sie sehr schön waren
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