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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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inneren Bezug hatte? Ich würde Dana gerne anrufen, aber ich schäme mich, ihr zu sagen, was Mark tut.
    Dana zuckte zusammen, das Tagebuch in der Hand. Wieso hatte Lily sich ihr nicht anvertraut? Aber andrerseits, wie hätte sie reagiert? Sie hätte mit Sicherheit Partei für Lily ergriffen und sich gewünscht, Mark würde Honeysuckle Hill unangetastet lassen. Sie las weiter, eine Seite nach der anderen, ohne auch nur eine Zeile auszulassen:
    Heute habe ich meine Farben und Pinsel zusammengepackt und bin mit den Mädchen nach Gull Island gefahren, auf eine Mal-Exkursion. En plein air … Es war ein Erlebnis. Wir haben uns das Ruderboot der Campbells ausgeliehen, und ich musste immerzu an die Mermaid denken. Warum habe ich sie so lange nicht zu Wasser gelassen? Ich war dermaßen mit Marks Träumen beschäftigt, dass ich einige meiner eigenen vergessen habe. Malen oder die Blue Jay segeln? Dana wäre heute stolz auf mich gewesen.
    Quinn macht sich neuerdings Sorgen. Sie musste in letzter Zeit oft mit anhören, wie Mark und ich gestritten haben. Gestern wollte sie wissen, ob wir uns scheiden lassen. Nein, habe ich gesagt. Klingt aber so, meinte sie.
    Heute war ich also eine Bilderbuch-Mom und außerdem mir selbst treu. Mark und ich lieben uns. Wir werden die Sache durchstehen. Wir haben beide einen starken Willen und fest umrissene Ansichten. Ich bin der Meinung, er sollte die Finger von Martha’s Vineyard lassen! Ich denke dabei an all die Vogelarten, die dort leben, an die Wanderfalken und Fischadler, die Eulen … er meint, vier Familien werden ein wunderbares Zuhause haben, das er baut. Ich beneide diese Familien.
     
    Lieber Gott, hilf mir, Ruhe zu bewahren und den Mädchen nicht zu zeigen, wie entrüstet ich bin. Heute Abend kam Mark nach Hause und meinte, er müsse mir etwas zeigen. Er lachte dabei völlig unbekümmert, wie es seine Art ist, auf alles und jeden zu reagieren. Ich war ebenfalls bereit, das Kriegsbeil zu begraben – wir haben uns in letzter Zeit viel zu häufig gestritten.
    Er zeigte mir eine alte Angelkiste. Strapazierfähiger Kunststoff, dunkelgrau, zerkratzt von vielen alten Angelhaken. Oben, auf der Spange, war ein Vorhängeschloss aus Messing. Ich fragte ihn, was das sei, und er öffnete sie.
    Fünftausend Dollar waren darin. Gebrauchte Scheine, überwiegend Fünfziger und Hunderter; sah aus, als handle es sich um die gesamten Ersparnisse eines Menschen. Das könnte hinkommen, sagte er. Jack Conway, der sich jetzt mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält und früher hinter dem Fischmarkt in Quissit wohnte, wollte unbedingt bei dem Projekt mitmachen. Er war nicht gerissen genug, um vom Bauunternehmer selbst eingestellt zu werden, und deshalb kam er zu Mark.
    Mark sagte ihm, dass er sein Geld nicht nehmen könne, aber Jack ließ sich nicht beirren. Er hätte sich sonst in seinem Stolz verletzt gefühlt, meinte Mark. Jack hat ein schlimmes Bein und Probleme mit dem Rücken, früher wohl auch mit dem Alkohol. Niemand will ihm eine Chance geben, aber er tat Mark Leid – deshalb versprach er, in dem Projekt einen Platz für ihn zu finden. Jack weigerte sich, ein Nein zu akzeptieren. Er drückte Mark die Angelkiste in die Hand und sagte, niemand werde davon erfahren, er werde schweigen wie ein Grab.
    Jetzt hat Mark also einen verkrüppelten alten Trunkenbold in seinen Diensten. Er hat keine verantwortliche Funktion, aber was ist, wenn etwas schief geht? Wenn er einen Fehler macht und jemand zu Schaden kommt? Und nicht nur das: Mein Mann hat Schmiergeld angenommen. Mark findet die ganze Sache urkomisch. Er sagt, Jack könne von dem Geld, das er bei diesem Projekt verdient, ein ganzes Jahr gut leben – es sind wohl an die dreißigtausend Dollar oder so. Und außerdem habe er vor, ihm die Angelkiste zurückzugeben, sobald die Bauarbeiten begonnen haben.
    Natürlich ist das nicht das eigentliche Problem. Das besteht darin, dass Mark Häuser auf der Insel errichtet, auf dem Hügel, von dem ich mir wünsche, er möge bis in alle Ewigkeit unangetastet bleiben. Ich wünsche mir, dass Quinns Kinder die Chance haben, Aquinnah – das Hohe Land – auf die gleiche Weise zu erleben wie ihre Mutter, so wie es früher einmal war.
    Ich bin wütend.
     
    Quinn hat meine Geduld heute auf eine harte Probe gestellt, und ich habe etwas getan, worauf ich nicht gerade stolz bin. Sie bohrte und bohrte, wollte wissen, warum Mark und ich uns dauernd streiten. Sie habe mich weinen und ihn brüllen gehört, und

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