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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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schloss Martha die Augen. Wolken trieben über den Junihimmel. Unten am Strand schlenderten Dana und Allie an der Gezeitenlinie entlang; von Quinn fehlte weit und breit jede Spur. Die Knöchel an den Mund gepresst, versuchte Martha, die Tränen zu unterdrücken. Sie spürte weder den Schmerz in der Hand noch in ihrem gebrochenen Hüftknochen: er saß so tief in ihrem Innern, dass sie nicht einmal sagen konnte, wo.
    Lily, ihr unkompliziertes Kind, war von ihr gegangen. Ihre Asche ruhte, gemeinsam mit Marks, in einer Urne auf dem Kaminsims. Den Kopf wendend, sah Martha das Behältnis nun an. Es war aus Messing und eckig. Unverwüstlich, nützlich, ohne Schnickschnack, dafür gemacht, die sterblichen Überreste nur so lange darin aufzubewahren, bis man sie endgültig bestattete. Quinn weigerte sich allerdings, eine solche Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen.
    Marthas Enkelinnen befanden sich beide in einem derart prekären Zustand, als hätten sie sich auch mit dem Fallschirm in einem Baum hinter den feindlichen Linien verfangen. Wenn die Arthritis ihr nicht so arg zu schaffen gemacht hätte, wäre Martha in Hubbard’s Point geblieben. Sie hätte den Rest der Familie zusammengehalten, den Mädchen ihr Zuhause bewahrt.
    Dana schien indes fest entschlossen, sie mitzunehmen. Wie würde sie zurechtkommen, wenn sie plötzlich zwei kleine Mädchen zu betreuen hatte? Gewiss war sie der Überzeugung, im besten Interesse ihrer Nichten zu handeln und dass der Umzug für die beiden letztlich weniger schmerzvoll sein würde. Sie wollte ihnen Frankreich zeigen, übers Wochenende mit ihnen nach Paris, Rom und Dublin reisen. Für die Mädchen würde ein neues Leben beginnen, wie sie es sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hatten.
    Als Martha den sanften Abhang des Hügels an dem kleinen weißen Strand hinabblickte, ließ sie die Hände in den Schoß sinken. Maggie sprang auf, um ihr die Finger zu lecken. Wusste Dana nicht, dass die besten Träume nicht immer die kühnsten waren? Dass Connecticut genauso schön war wie Europa und ein schindelgedecktes Cottage den gleichen Zauber besaß wie jedes x-beliebige Steinhaus? Dass Liebe weder etwas mit Abenteuer noch mit Gefahren zu tun hatte, oder mit einem Mann, der die eigenen Gefühle nicht ausreichend erwiderte?
    Und dass Enkelkinder ihre Großmutter mindestens im gleichen Maß brauchten wie umgekehrt?
     
    »Wie ist es so in Frankreich?«, fragte Allie, während sie Muscheln sammelte.
    »Malerisch. Eine herrliche Landschaft, wohin man auch schaut.«
    »Aber hier ist es doch auch schön.«
    »Das stimmt. Aber möchtest du nicht einmal etwas anderes kennen lernen?«
    »Doch, schon. Quinn aber nicht.«
    »Sie wird es wunderbar finden, wenn wir erst einmal dort sind. Ihr könnt die Zimmer haben, in denen ihr immer einquartiert wart, wenn ihr zu Besuch gekommen seid – ihr habt euch doch wohl darin gefühlt, oder? Es hat euch gefallen, dass man vom Fenster aus den Ärmelkanal sehen kann, und Quinn wollte nicht glauben, dass das Haus annähernd vierhundert Jahre alt ist. Ich werde einen Teil der Scheune herrichten, so dass ihr beide euer eigenes Atelier habt.«
    »Atelier?«
    »Ja. Ihr seid beide sehr talentierte Malerinnen.«
    »Quinn malt nicht mehr. Sie hasst es, sagt sie. Sie hasst alles.«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen«, entgegnete Dana sanft. Sie hörte die Anspannung in Allies Stimme und legte beschwichtigend den Arm um die Schultern des Mädchens. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie sich Sorgen um ihre eigene Schwester gemacht hatte: als Lily beispielsweise an Masern erkrankt oder in zwei Quartalszeugnissen hintereinander mit einer schlechten Note in Algebra nach Hause gekommen war. »Wir kümmern uns um sie.«
    »Ich möchte, dass es ihr gut geht. Aber manchmal glaube ich, dass das nicht so ist.«
    »Wo steckt sie eigentlich?«
    »Am Little Beach, nehme ich an. Dort treibt sie sich dauernd herum.«
    Dana nickte. Auch sie hatte dort Zuflucht vor ihrer Familie und ihren Freunden gesucht. Der Strand war um diese Zeit ruhig, beinahe menschenleer. Es war erst Juni, und in manchen Schulen fand, im Gegensatz zu Black Hall, noch Unterricht statt. Einige Familien kamen an den Wochenenden heraus, aber die meisten bezogen nicht vor dem Hochsommer ihre Ferienhäuser am Meer in Hubbard’s Point. Die Underhills hatten ihr Cottage dagegen winterfest gemacht und bewohnten es das ganze Jahr.
    Dana hatte hier etliche Freundinnen gehabt, mit denen sie

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