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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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daneben.
    „Du schaffst es, los weiter, lass es raus, das Gift, du schaffst es“, feuerten wir ihn an.
    Nach dem sechsten Mal kam nur noch Galle. Es war eine barbarische Tortur. Die Brechkrämpfe vergingen endlich, und wir legten ihn wieder flach hin, stützten ihn aber mit einigen Kissen, was ihm das Atmen erleichtern sollte.
    Der Geruch von Erbrochenem hing so schwer in der Luft, man hätte sich dagegen lehnen können. Ich öffnete das Fenster und sog die eiskalte Winterluft in meine Lungen. Nach ein paar Minuten schloss ich es wieder, aus Angst, Jack bekäme eine Lungenentzündung.
    Jetzt konnten wir nur noch warten. Barbara meinte, sein kräftiger Körper würde es sicher schaffen, doch ich blieb voller Angst mit ihm allein zurück und legte mich erschöpft neben ihn. Wir hatten ihn entkleidet, gewaschen, und nun lag er da wie tot. Den kräftigen, starken Jack derart niedergestreckt zu sehen erschreckte mich bis ins Mark. Ich sprach sanft mit ihm, mehr um mich selbst zu beruhigen. Plötzlich schlug er die Augen auf.
    „Was ist denn los? Warum habt ihr mich so gequält?“, fragte er leise und auf Englisch.
    „Oh, Jack, du bist wach, Gott sei Dank!“
    Ich erklärte ihm den Grund seines Zusammenbruchs, wobei es mir legitim erschien, die akute Lebensgefahr, in der er sich befunden hatte, zu verschweigen.
    „Igitt, das Zeug esse ich nie wieder“, sagte er und lächelte schwach. „Deshalb musste ich mir also die Seele aus dem Leib kotzen. Mir ist immer noch übel und schwindelig.“
    „Wir dachten, du hast das gar nicht mitbekommen“, sagte ich überrascht. Er war mir völlig apathisch vorgekommen.
    „Doch, doch. Es entgeht einem nur schwer, wenn sich das Innere nach außen kehrt“, sagte er, verzog einen Mundwinkel und griff nach seinem Herz.
    „Tut es weh?“, rief ich alarmiert.
    „Nein, aber es hüpft wie ein Tischtennisball“, sagte er angestrengt.
    „Das geht vorbei, sagt Barbara. Am besten du versuchst zu schlafen“, schlug ich vor.
    Er nickte, und ich strich ihm sanft über die Wange.
    „Schlaf und lass deine Körperabwehr dagegen kämpfen. Du bist stark, du schaffst es“, sagte ich leise und unvorsichtigerweise.
    „Ich schaffe es? Das klingt, als wäre es was Ernstes“, sagte er, und ich registrierte erfreut, dass er wieder Deutsch sprach, und nahm es als Zeichen der Besserung.
    „Hab keine Angst, Engelchen, so schnell sterbe ich nicht. Sicher ist es nur eine Magenverstimmung.“
    Ich wagte nicht zu widersprechen, drückte seine Hand, und er schloss die Augen.
    „Kann ich dich jetzt allein lassen?“, fragte ich leise.
    Er nickte, und ich ließ ihn schlafen.
    Ich ging nach oben zu den anderen und erzählte ihnen, dass es Jack etwas besser ging. Sie nahmen die Nachricht mit Erleichterung auf, doch Barbara warnte mich. Es sei noch nicht vorbei. Eine geringe Menge dieses Giftes genügte bereits, um die Symptome auszulösen, und Jack hatte die ganze Schüssel leer gegessen, so dass er die volle Dosis aus dem Korn zu sich genommen haben könnte. Sie gab mir ein Fläschchen mit einem herzstärkenden Naturheilmittel und bat mich, es ihm nachher zu geben. Ich bedankte mich bei ihr und ging auf die Suche nach Anna, um mich bei ihr zu entschuldigen.
    Anna gab in der Küche Anweisungen für das Abendessen. Als sie mich bemerkte, stockte sie einen Moment. Dann sprach sie ihre Anweisung an Maria zu Ende und schloss anschließend die Küchentür. Wir standen uns im Flur gegenüber.
    „Es tut mir so leid, Anna“, begann ich bedrückt. „Ich wollte dich nicht so anschreien. Außerdem habe ich dich beleidigt und ...“, ich hielt inne, um mir eine Träne aus dem Auge zu wischen und meine Stimme zu sammeln.
    Sie lächelte mitfühlend.
    „Es ist schon gut, ich weiß“, sagte sie liebevoll und strich mir eine Locke aus der Stirn. „Wenn es um Friedrich gegangen wäre, hätte ich mich nicht anders verhalten.“ Sie holte tief Luft. „In gewisser Hinsicht hast du sogar recht. Es war meine Schuld. Mein Personal machte diesen Fehler, und sie hätten damit uns alle töten können.“
    Sie sah mich ernst an, und ich musste zugeben, dass ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht hatte. Mir war es nur um Jack gegangen, aber nur dem Zufall hatten wir es zu verdanken, dass an diesem Morgen nicht noch mehr von uns davon gegessen hatten. Anna selbst hatte nur einen Apfel gefrühstückt, und die anderen, die sonst den Brei nicht verschmähten, hatten sich heute für den frisch angeschnittenen Räucherschinken

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