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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Bobbi, und Will junior stand mir im Weg.  
    Da sah ich aus dem Augenwinkel plötzlich Samson wie einen Geist, sanft spürte ich ihn am Rücken. Sofort hatte ich nicht mehr das Gefühl umzukippen, ich konnte die jammernden Frauen blinzelnd ansehen und ihre Stimmen allmählich etwas herunterdrehen, indem ich losließ und ein paarmal tief Luft holte.  
    »Was macht ihr d-da- h-hinten?«, sagte der Bote mit ärgerlicher und dabei erstaunlich melodischer Stimme, wie ein Country-Western-Sänger, der jodelnd auf einem Kaktus sitzt. Keiner von uns sagte etwas, weder wussten wir, was wir antworten sollten, noch, wer antworten sollte.  
    »Ich möchte das nicht zweimal sagen müssen«, sagte der Mann, immer noch melodisch, aber nervös, als hätte er Muffensausen, wenn er mit Kindern sprach.  
    »Richtig so, Lester«, sagte Rhonda auf seinem linken Arm. »Zeig ihnen, wo der Hammer hängt.«   
    »Pah, als hätte der auch nur ein Fitzelchen Schneid«, höhnte Carlene. »Den führt er jetzt mal kurz vor und dann gibt er doch klein bei. Keine zehn Minuten geb ich ihm, dann sitzen die Kinder am Steuer und sagen ihm, wo sein Platz ist.«   
    Ich schluckte schwer, dann ging ich vorsichtig einen Schritt auf den Mann zu. »Fahren Sie demnächst zurück nach Kansas? Wir wollen nur nach Salina.«  
    Lester schaute auf mich herab, die Arme immer noch verschränkt, er versuchte die mageren Schultern ruhig zu halten und standhaft zu bleiben. Sein Kiefer mahlte, als ob er auf einem von Bobbis Kaugummis kaute oder als ob er verhindern wollte, dass die falschen Worte herauskamen. Ich hatte den Eindruck, dass er ein bisschen langsamer schaltete als andere, als wäre seine Denkmütze in der Wäsche eingelaufen und würde seinem Gehirn nicht mehr richtig passen.  
    »Ihr k-könnt nicht hier im B-Bus sein«, sagte der Mann schließlich, streckte den Arm aus und zeigte mit dem Finger auf uns. Aber der Finger zitterte, als Carlene lachte und Rhonda schimpfte, sie zogen Lesters Versuch, den starken Mann zu spielen, ins Lächerliche, und er sah gar nicht richtig böse aus.  
    »Bitte.« Ich trat noch einen Schritt vor. »Wir wollen doch nur nach Salina. Wir machen Ihnen keinen Ärger und keine Umstände. Es wäre echt praktisch, wenn Sie uns mitnehmen könnten. Sie haben doch so viel Platz. Und Sie fahren in die Richtung, oder? Auf dem Schild steht …«  
    »Ich k-kann riesigen Ärger kriegen, wenn ich K-Kinder in meinem Bus mitnehme«, stammelte Lester, ging einen Schritt zurück und steckte den Zeigefinger wieder unter die schwitzige Achsel, als könnte er ihm nicht trauen. »Das würde m-meinem Chef überhaupt nicht gefallen. Er würde mich rauswerfen, todsicher. Wissen eure Eltern, wo ihr steckt?«  
    »Meine Momma und mein Poppa sind in Salina. Mein Poppa liegt da im Krankenhaus. Sie würden ihnen einen riesigen Gefallen tun, wenn Sie uns zu ihnen bringen, das schwöre ich.« Ich hob eine Hand wie zum Eid, mit all den Bibeln drum herum musste das doch wirken. Lester wippte auf den Fersen vor und zurück, seine Schultern wackelten immer noch und sein Denkapparat knirschte.  
    »Na bitte. Typisch Lester Swan«, sagte Carlene. »Knickt wie ein Schwachkopf vor einem kleinen Mädchen ein.«   
    Rhonda schnalzte in mütterlicher Enttäuschung mit der schwatzhaften Zunge. »Mein Lester ist schon immer beim leisesten Windhauch umgefallen. Wenn er doch nur mehr nach mir käme. Ich würde es diesen Kindern schon zeigen.«   
    Ich ließ die Hand sinken und ging noch einen Schritt vor, Lester Swan ging noch einen Schritt zurück, als hätte er Angst, ich könnte ihn beißen, wenn ich ihm zu nah käme.  
    »Bitte!«, sagte ich.  
    Lester fuhr sich mit der rechten Hand durch das dünne Haar, kratzte sich den kahlen Kopf, so dass die Büschel, die er noch hatte, hochstanden wie die Federn eines hässlichen Entleins. Carlene verdrehte die Stielaugen, während sie bei Lesters Bewegung auf und ab und rundherum schaukelte. Einen Moment lang dachte ich, Lester würde uns auf der Stelle aus dem Bus werfen und uns am Ende der Welt am Straßenrand liegenlassen. Doch nach einer peinlichen Pause, in der niemand ein Wort sagte, war der Moment vorüber, und Lester ließ sich auf der Kante des erstbesten Sitzes nieder, seine Schultern hingen noch mehr herab als sowieso schon.  
    »Und woher kommt ihr?«, fragte er in dem kläglichen Ton eines Mannes, der weiß, dass ihn gerade der letzte Mut verlassen hat.

11. Kapitel
     
    Wie sich

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