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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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Möglichkeit glaubst du jetzt?«
    »Möglichkeit?«
    »Du bist doch eine Person, die sich theoretisch mögliche Dinge überlegt, denen sie dann leicht manisch entgegenfiebert.«
    »Hm.« Wesley scheint sich über meine Aussage zu freuen. »Manisch war ich nie. Unruhig vielleicht, aber manisch nie. Auch nicht, als ich aufgebrochen bin. Und das weißt du selbst … Meine Mutter hat sich einen gebrauchten Volvo Kombi gekauft. Die Innenausstattung hätte dir gefallen. Wir haben nirgendwo besonders lange Halt gemacht, nicht gefilmt, nicht fotografiert, nichts aufgeschrieben. Wir sind einfach gefahren. Manchmal haben wir an Tankstellen gestoppt, um Limonade zu kaufen. Vor den Tankstellen haben wir uns unterhalten oder geschwiegen. ›So ist es hier‹, hat meine Mutter manchmal gesagt, und dann habe ich gesagt: ›Ja, so ist es‹, und dann sind wir wieder weitergefahren. Natürlich haben wir immer verschiedene Sachen gemeint und ständig aneinander vorbeigeredet, aber so funktioniert dieses Training ganz oft. Man hört auf, sich gegenseitig im Denken zu behindern. Man ist eben einfach zusammen unterwegs. Es war schön zu sehen, dass es meiner Mum wieder gut geht.« Wesleys Stimme klingt plötzlich noch zarter, als er ›Mum‹ sagt statt ›Mutter‹ : »Wim, wenn der Frühling endet, werde ich siebenundzwanzig Jahre alt sein.«
    »Ich weiß.«
    »Für mich wird es Zeit, zu ein paar Dingen zu stehen.« Wesley legt seine beiden Handflächen vor sich auf den Tisch. »Ich bin ziemlich verliebt in Frank. Ich hab das bisher nur nicht zugegeben …«
    Ich trinke einen Schluck Tee und schaue zum Fenster hinaus, über einige Häuserdächer hinweg, und dann schaue ich wieder zu Wesley. Ich gieße meine Tasse noch einmal hoch voll. »Entschuldige mich kurz. Ich will mir was überziehen.«
    Im Wohnzimmer ziehe ich ein Outfit aus meiner noch prall gefüllten Sporttasche, eine recht gewöhnliche Jeans, dazu ein Hemd, das ich nur so mittelmäßig mag. Es wird besser sein, sich Wesley gegenüber jetzt neutral zu verhalten. Früher haben wir nie gesagt, dass wir verliebt in jemanden sind. Weil uns das konstruiert vorkam, und weil wir nicht naiv sein wollten. Wer lange genug darüber nachdenkt, ob er wirklich verliebt ist, der wird irgendwann die Sicherheit über seine Gefühle verlieren, so viel steht fest. Deshalb kann es auch nie besonders smart sein, zu behaupten, dass man verliebt ist, vor allem nicht, wenn man vorher angeblich lange nachgedacht hat. Ich überprüfe den Sitz meines Hemdes im Spiegel. In Kombination mit dieser hellblauen Jeans sieht es nun doch erstaunlich gut aus. Es hat jetzt zwar schon mehr als vierundzwanzig Stunden zusammengefaltet in der Tasche gelegen, aber die Knicke sind überhaupt kein Problem, im Gegenteil: Sie strukturieren die Hemdform.
    Zurück in der Küche, bemühe ich mich um einen sachlichen Blick. Wesley knüpft nahtlos an: »Weißt du, ich hatte auch kein ganz ungebrochenes Verhältnis zu Carla …«
    »Carla ist vorbei.«
    »Aber Carla wirkt nach. Und das ist gut so. Sie hatte einen guten Einfluss auf dich, obwohl ich sie nie besonders mochte.«
    Ich stehe auf und schütte meinen noch immer leicht dampfenden Tee in das Spülbecken. Wesley kennt mich offenbar gut genug, um zu wissen, dass ich in den nächsten Momenten nun nicht mehr in der Lage sein werde, sinnvoll zu sprechen. Also redet er einfach weiter:
    »Ich habe mir zu lange was vorgemacht. Ich habe mir eingeredet, dass mehr als eine Affäre mit Frank nicht möglich wäre. Du weißt, dass er zugezogen ist. Und natürlich kommen einem diese Leute weniger smart vor als die Leute, mit denen man schon im Kindergartenbungalow oder in Eishockeyworkshops seine Zeit verbracht hat …« Wesley grinst jetzt anbiedernd, zwar nur kurz, aber für mein Empfinden schon zu lang. »Trotzdem will ich das jetzt versuchen mit ihm … Am Samstag sollte er in einer besseren Verfassung sein als zuletzt am Flughafen. Gib ihm eine Chance.« Wesley zwinkert und steht auf. Von seinem Tee hat er kaum etwas getrunken.
    Als sich die Tür hinter ihm schließt, beginne ich umgehend die E-Mail zu formulieren, mit der er nun sicher rechnet. Ich schreibe, dass es für mich völlig in Ordnung ist, wenn er wieder etwas mit Frank startet, dass ich darin kein Problem sehe. Ich schreibe es so, dass meine Enttäuschung zwischen den Zeilen spürbar wird. Dabei will ich es gar nicht so schreiben, es passiert einfach, da mir jetzt keine weichen Vokabeln mehr einfallen und ich zu

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