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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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abfedernden Nebensätzen augenblicklich nicht in der Lage bin.
    Im größten Keyboardfachhandel der Stadt arbeitet ein Mädchen mit kurzem Haar. Es trägt eine beigefarbene Uniform und ähnelt Carla sogar, zumindest auf Ebene der Statur. Doch einen solchen Job, an der Kasse eines Fachhandels, hätte Carla niemals gemacht, dafür wäre sie zu eitel gewesen, oder vielleicht auch zu ängstlich.
    »Hallo, ich suche ein Keyboard.«
    »Wir haben einige, wie du vielleicht siehst. Gibt es spezielle Wünsche?«
    »Es soll einen guten Sound haben und schön sein …«
    »Wie lange spielst du denn schon?«
    »Ich spiele gar nicht. Es wird ein Geschenk …«
    »Und wie lange spielt die Person schon, der du es schenken willst?«
    »Sie spielt schon ihr ganzes Leben lang Piano. Aber ich finde, sie sollte jetzt mit dem Keyboarden anfangen.«
    Während dieses Gesprächs blicken wir uns streng in die Augen. Die Verkäuferin fordert mich auf, ihr durch den Laden zu folgen. Sie führt mich zu einem Panoramafenster, vor dem einzelne Keyboards großzügig aufgebaut sind. Sobald man seine Hände auf eines der Geräte legt und dann nach vorne schaut, sieht man die Abendsonne auf dem Meer glitzern. Ein wolkenloser Frühlingstag neigt sich seinem Ende zu. Man kann gar nicht anders, als die Instrumente und das Wetter und den Blick aufs Meer als Einheit zu begreifen.
    »Du zeigst mir gleich das Spitzensegment?« , frage ich.
    Die Verkäuferin nickt, mit dem Rücken zum hellen Fenster stehend, und blickt auf meine Hände, die ungeschickt auf den Tasten liegen.
    »Wenn du möchtest, kannst du auch etwas spielen, um den Klang zu testen.«
    »Das würde ich gern. Leider kann ich nicht spielen. Testest du ihn für mich?«
    Und dann stellt sich dieses Mädchen in der beigefarbenen Ladenuniform sehr aufrecht vor eines der Keyboards, schaltet es ein und spielt einzelne Akkorde. Die Anlage summt gewaltig und warm. Wäre ich um diese späte Uhrzeit nicht der einzige Kunde im Laden, würden sich die anderen Kunden sehr wahrscheinlich zu uns umdrehen. Ich schaue die Verkäuferin von der Seite an. Ihr Profil hat etwas Sachlich-Kühles, und mir fällt auf, dass ich bisher erst selten über Profile nachgedacht habe. Vielleicht weil man seinem eigenen höchstens auf Fotografien oder Videoaufnahmen mal begegnet, auch wenn man sich dann immer wundert und nicht so schnell sattsehen kann.
    »Und? Was meinst du zum Klang?«
    »Ich weiß nicht. Ich bräuchte einen Vergleich.«
    Also stellt sich das Mädchen vor ein weiteres Keyboard und drückt auch bei diesem einige Tasten. Ich kann keinen echten Unterschied erkennen, finde aber, dass die Funktionsknöpfe oberhalb der Klaviatur bei diesem zweiten Gerät eleganter angeordnet sind.
    »Ich glaube, das gefällt mir besser.«
    »Gute Wahl.«
    Nur wenige Minuten später habe ich das Edelkeyboard dann tatsächlich mit meiner Kreditkarte bezahlt und lasse es mir in einem vielfarbigen Karton mit weißem Tragegriff über die Kasse reichen. Der Karton ist weniger leicht, als ich gedacht hätte, zumal die Verkäuferin ihn so mühelos in die Luft gestreckt hat. Sie lächelt nun zum ersten Mal, und ihre Augen lächeln sogar mit, was mich ziemlich erstaunt. Ich lächle dann auch, ohne dass ich es verhindern könnte.
    »Sollte ich mal Technikfragen haben, erreiche ich dich dann über die Service-Hotline?« Ich pruste fast los, als ich diesen Satz ausspreche, weil er mir so anzüglich vorkommt. Die Verkäuferin steht beigefarben vor mir und schweigt, wohl um mich zu testen. Ich halte ihr Schweigen dann auch eine ganze Weile aus, sie still anblickend, mit dem Keyboardkarton in der Hand. Irgendwann nickt sie und greift nach einer Karte, auf der mehrere Service-Hotlines aufgelistet sind. Sie ergänzt die Hotlines mit einem Kugelschreiber um eine weitere Nummer. Dann streckt sie mir formell ihre Hand entgegen:
    »Ich bin Carla.«
    »Ich bin Wim.«

17 ↵
    Mein Bezirk wählt dieses Jahr in einem umfunktionierten Eissalon. Ich bin spät dran, aber das sind für gewöhnlich die meisten. Die Wahlbeteiligung lag zuletzt bei rund sechsundneunzig Prozent, die vier Prozent Nichtwähler verschlafen den Tag, vergessen die Briefwahl oder sind apolitisch. Es läuft oft gute Musik in den Wahllokalen und es gibt Süßwaren sowie ein Freigetränk für jeden, der seine Stimme abgibt. Ich bin froh, dieses Mal auf keine angetrunkenen Peter-Stanton-Fans zu treffen. In anderen Jahren bin ich schon in Wahlfestivitäten hineingeraten, die dann bis in die

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