Schindlers Liste
Kenntnis genommen. Aber wenn Schindler Beziehungen zu Oberst Lange habe und zu den Herren des Evakuierungsbüros, dann sähe die Sache schon anders aus.
Süßmuth hatte schon eine Liste der Orte aufgestellt, die sich zur Aufnahme von ausgelagerten Betrieben eigneten. So etwa gab es unweit Schindlers Heimatstadt Zwittau am Rande einer Ortschaft namens Brünnlitz eine große Textilfabrik, die den Gebrüdern Hoffmann aus Wien gehörte.
Ehedem hatten sie Butter und Käse hergestellt, waren aber den vorrückenden Truppen ins Sudetenland gefolgt (ganz wie Schindler mit ihnen nach Krakau gekommen war) und hatten sich zu Textilunternehmern gemausert. Ein ganzer Anbau an die Textilfabrik wurde nicht mehr genutzt, sondern diente als Lagerraum für ausrangierte Spinnmaschinen.
Zur Fabrik führte ein Nebengleis von Zwittau, dessen Verschiebebahnhof Schindlers Schwager unterstand. Süßmuth sagte, Hoffmanns seien echte Kriegsgewinnler und hätten die Lokalgrößen der Partei in der Tasche. »Aber hinter Ihnen steht Oberst Lange, und ich schreibe gleich nach Berlin wegen dieses Anbaus in Brünnlitz.«
Schindler kannte Brünnlitz von früher her. Die Bevölkerung war überwiegend deutsch und bestimmt nicht geneigt, tausend und etliche Juden in nächster Nachbarschaft zu dulden.
Auch in Zwittau würde man nicht gern so spät im Krieg in dieser ländlichen Gegend eine Rüstungsfabrik, noch dazu mit jüdischen Arbeitern aufnehmen.
Zunächst einmal sah er sich die Fabrikgebäude an. Vorsichtshalber vermied er es, im Büro der Firma Hoffmann Erkundigungen anzustellen, um die nicht schon im vorhinein zu warnen.
Doch den Anbau konnte er ungehindert betreten. Es war ein altmodischer zweigeschossiger Bau mit einem Innenhof, die untere Etage hatte hohe Decken und enthielt teils Maschinen in hölzernen Verschlagen, teils Behälter mit Wollresten. Oben sollten wohl die Büros und weniger schwere Maschinen aufgestellt werden. Der Fußboden konnte jedenfalls das Gewicht von Schindlers schweren Pressen nicht tragen, aber unten konnten sie gut aufgestellt werden, auch gab es noch Platz genug für Büros und eine Privatwohnung für Schindler. Die Häftlinge würden also im Oberstock kampieren.
Er war sehr zufrieden mit allem und fuhr nach Krakau zurück, ganz darauf versessen, die Dinge in Gang zu bringen, Geld auszugeben und noch einmal mit Madritsch zu sprechen, denn Süßmuth meinte, er könnte ohne weiteres auch Madritsch und seine Juden unterbringen, womöglich ebenfalls in Brünnlitz.
Heimgekehrt erfuhr er, daß ein abgeschossener Bomber in sein Lager Emalia gestürzt war und zwei Baracken zerstört hatte. Die wenigen zurückgebliebenen Häftlinge, die mit den Abwicklungsarbeiten beschäftigt waren, hatten den Bomber brennend abtrudeln gesehen.
Zwei Männer der Besatzung waren in der Maschine verbrannt. Die Leute von der Luftwaffe, die die Reste abholen kamen, sagten zu Garde, es handele sich um einen Stirling-Bomber mit australischer Besatzung.
Die übrigen Besatzungsmitglieder seien mit dem Fallschirm abgesprungen, wobei einer ums Leben gekommen war, während der vierte sich zu den Partisanen durchschlagen konnte. Die sollten übrigens in den Wäldern östlich von Krakau von diesem Bomber mit Nachschub versorgt werden.
Schindler empfand es als symbolisch, daß Männer aus dem fernen Australien sich die Mühe machten, so weit von ihrer Heimat entfernt dem Treiben hier in Krakau ein Ende zu setzen.
Er ließ sich mit dem Sachbearbeiter für Transportfragen im Büro von Ostbahnpräsident Gerteis verbinden und lud ihn zum Abendessen ein. Er wollte sich die für den Abtransport der DEF benötigten Rungenwagen sichern.
Eine Woche später erhielt das Büro des Gauleiters von Mähren von der Rüstungsinspektion in Berlin den Bescheid, daß Schindlers Rüstungsbetrieb den Anbau an die Hoffmannsche Textilfabrik in Brünnlitz beziehen werde. Süßmuth sagte Schindler telefonisch, die Gauleitung könne nicht mehr unternehmen, als die Verlegung durch bürokratische Hemmnisse zu verlangsamen. Nun rührten sich die unteren Parteiinstanzen auf Betreiben der Gebrüder Hoffmann. Der Kreisleiter von Zwittau gab zu bedenken, daß jüdische Häftlinge aus Polen die Volksgesundheit gefährdeten, es sei mit Fleckfieberepidemien zu rechnen. Auch werde Schindlers Rüstungsbetrieb, ohnedies von geringem Wert, alliierte Bomber anlocken und das viel wichtigere Textilunternehmen gefährden. Die Zahl der nach Brünnlitz einströmenden jüdischen Kriminellen
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