Schindlers Liste
als Nebensache behandelt. Aber eine Nebensache war sie durchaus nicht, denn dank der eingeschmuggelten Brotmenge ging der Preis auf den gewohnten Stand zurück. Dies ist wieder ein Beispiel dafür, wie Stern und Schindler zusammenwirkten, und es steht für viele andere.
Kapitel 32
Mindestens einer der ehemaligen Insassen des Nebenlagers Emalia, der von Goldberg aus der Liste entfernt wurde, um jemand anderem Platz zu machen einem Verwandten, einem Zionisten oder einem Barzahler, hat dies später Schindler angelastet.
Die Martin-Buber-Gesellschaft erhielt 1963 einen mitleiderregenden Brief dieses nunmehr in New York lebenden Mannes.
Der warf Schindler vor, er habe ihm in den Tagen der DEF versprochen, ihn zu retten, und sich dafür an seiner Arbeit bereichert. Und doch seien keineswegs alle auf die Liste gekommen. Insbesondere dieser Mann betrachtete das als einen persönlichen Verrat, und mit dem Zorn dessen, der die Hölle durchlitten hat, weil ein anderer nicht sein Wort hielt, machte er Schindler für all das verantwortlich, was er im folgenden zu ertragen hatte: Groß-Rosen, den entsetzlichen Steinbruch von Mauthausen, von dessen Rand die Häftlinge hinabgestürzt wurden, und am Ende des Krieges den Todesmarsch.
Der Brief, der von gerechtfertigtem Zorn glüht, zeigt deutlich, daß für die Inhaber eines Platzes auf Schindlers Liste das Leben noch erträglich schien, während es für die anderen unerträglich wurde. Gleichwohl ist es nicht gerechtfertigt, Schindler die Manipulationen anzulasten, die Goldberg vornahm. In den.letzten chaotischen Tagen des KL Plaszow dürfte die Lagerleitung jede Liste genehmigt haben, die Goldberg vorlegte, vorausgesetzt, es standen nicht wesentlich mehr als 1100 Namen darauf. So viele waren Schindler zugestanden worden.
Aber es war ihm einfach unmöglich, Goldberg ständig zu kontrollieren. Tagsüber sprach er auf den Büros vor, abends schmierte er die Bürokraten.
Er brauchte die Transportgenehmigung für die Hilo-Maschinen und seine Blechpressen von alten Bekannten in General Schindlers Dienststelle, von denen manche ihm Hindernisse in den Weg legten, die seinen Plan, 1100 Häftlinge zu retten, gefährdeten. Man hielt ihm vor, er habe seine Maschinen von der Inspektion in Berlin einzig für die Verwendung in Polen zugeteilt erhalten, und Berlin sei von der bevorstehenden Verlagerung der Maschinen nicht informiert worden. Das müsse noch geschehen, und bis die Erlaubnis erteilt werde, könnten gut vier Wochen vergehen. Aber ein Monat stand Schindler nicht mehr zur Verfügung. Ende Oktober mußte Plaszow geräumt sein, die Häftlinge auf Groß-Rosen und Auschwitz verteilt. Am Ende wurde das Hindernis in bewährter Manier weggeräumt.
Hinzu kam, daß die Untersuchung der Affäre Göth noch keineswegs abgeschlossen war, und Schindler damit rechnen mußte, hineingezogen und über seine Beziehung zu dem ehemaligen Kommandanten verhört zu werden. Zu dieser Befürchtung hatte er auch allen Grund, denn Göth hatte die Herkunft der bei ihm gefundenen RM 80 000 unter anderem damit erklärt, daß Schindler ihm dieses Geld gegeben habe, »weil er wollte, daß ich die Juden besser behandele«. Es war darum nötig, sich über den Stand der Untersuchung durch Bekannte in der Pomorskastraße auf dem laufenden zu halten.
Und letztlich verhandelte Schindler bereits mit Sturmbannführer Hassebroeck, dem Kommandanten von Groß-Rosen, unter dessen Jurisdiktion sein Nebenlager Brünnlitz stehen würde. Unter Hassebroecks Regime sind in Groß-Rosen samt seinen Nebenlagern mehr als l00 000 Menschen umgekommen, doch schon bei einem ersten Telefongespräch mit ihm verflüchtigten sich Schindlers Befürchtungen. Er war nun bereits an die charmanten Mörder gewöhnt, und hier hatte er es mit einem zu tun, der geradezu dankbar war für jeden Zuwachs, den sein Imperium verzeichnen konnte, vor allem in Mähren. Hassebroeck fühlte sich tatsächlich als eine Art Imperator. Er hatte 103 Nebenlager unter sich. (Brünnlitz war Nr. 104, zählte über tausend Häftlinge und war mit seiner technischen Einrichtung eine erwünschte Neuerwerbung.) 78 Lager unterhielt er in Polen, 16 in der Tschechoslowakei, 10 im Reich.
Mit ihm verglichen war Göth ein kleiner Mann.
Bedenkt man also, was Schindler in der letzten Woche am Halse hatte, so wäre es ein Wunder gewesen, hätte er noch Zeit gefunden, Goldberg auf die Finger zu sehen, selbst wenn das möglich gewesen wäre, was es nicht war. Die Überlebenden
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