Schindlers Liste
werde für jeden den Tagessatz von RM 6,00 bezahlen. »Wenn die wieder auf den Beinen sind, kann ich sie schon gebrauchen.« Leipold begriff, daß er Schindler nicht bremsen konnte und daß Hassebroeck über den Zuwachs an Einkünften nicht unglücklich sein würde. Wahrscheinlich standen sie schon in den Büchern, und Schindler bezahlte für sie, während sie noch ins Lager getragen wurden.
Man wickelte sie in Decken und bettete sie auf das Stroh. Frau Schindler, gefolgt von zwei Häftlingen, brachte einen großen Kessel Haferbrei. Ärzte behandelten die Erfrierungen.
Biberstein meinte, diese Leute brauchten dringend Vitamine, doch wären in ganz Mähren wohl keine aufzutreiben.
Die sechzehn steifgefrorenen Leichen wurden in einen Schuppen gebracht. Rabbi Levartov betrachtete sie, und ihm kam der Gedanke, daß man sie schwerlich nach den orthodoxen Vorschriften würde bestatten können, weil die verbieten, Knochen zu brechen. Überdies mußte man sich darum erst noch mit dem Kommandanten streiten, denn der hatte Anweisung von der Amtsgruppe D, Häftlingsleichen zu verbrennen. Und die großen Heizungskessel eigneten sich dazu vorzüglich. Schindler hatte sich allerdings schon zweimal der Verbrennung der Toten widersetzt.
Als erste war in Brünnlitz Janka Feigenbaum in der Krankenhausstube gestorben. Leipold hatte befohlen, die Leiche zu verbrennen. Schindler wußte von Stern, daß dies für Feigenbaum und für Levartov einen schweren Verstoß gegen ihre Gesetze bedeutete, und er mag selber ein Widerstreben gegen die Feuerbestattung empfunden haben, denn er war schließlich Katholik. Er weigerte sich nicht nur, Frau Feigenbaum verbrennen zu lassen, er gab auch Auftrag, einen Sarg anzufertigen, beschaffte Pferd und Wagen und ließ Levartov und Feigenbaums unter Bewachung mit in den Wald gehen, wo sie die Leiche beisetzten.
Feigenbaums gingen hinter dem Wagen und zählten die Schritte, weil sie den Sarg nach dem Krieg ausgraben lassen wollten.
Leipold war bei solchen Gelegenheiten außer sich vor Wut, und in Brünnlitz gab es Leute, die meinten, Schindler verhalte sich gegenüber Leuten wie Feigenbaums taktvoller und delikater als gegenüber seiner eigenen Frau.
Als die alte Frau Hofstatter starb, verlangte Leipold wiederum, daß die Leiche verbrannt werde. Auf Sterns Bitte ließ Schindler einen Sarg anfertigen und legte eine Blechplatte zu der Leiche, auf der Frau Hofstatters Daten verzeichnet standen. Levartov und zehn orthodoxe Juden, die das Totengebet sprachen, durften zur Beisetzung das Lager verlassen.
Stern behauptet, daß Schindler in der unfern gelegenen katholischen Gemeinde Deutsch-Bielau einen jüdischen Friedhof anlegen ließ, weil er Frau Hofstatter dort beerdigen lassen wollte. Er soll an jenem Sonntag, als die alte Frau starb, dem Ortspfarrer diesen Vorschlag gemacht, und die rasch zusammengerufenen Kirchenältesten sollen zugestimmt haben, ihm ein kleines, an den katholischen Friedhof angrenzendes Grundstück zu verkaufen.
Andere Gefangene behaupten hingegen, der jüdische Friedhof sei von Schindler nach Eintreffen der Goleszower gekauft worden, die ja ihre Verstorbenen mitbrachten, und Schindler hat das bestätigt. Es heißt, der Pfarrer habe ihn darauf hingewiesen, daß außerhalb der Umfriedung des katholischen Kirchhofes nur Selbstmörder bestattet würden, und Schindler habe erwidert, es handele sich nicht um Selbstmörder, sondern um Opfer eines furchtbaren Massenmordes. Doch wie auch immer, es scheint, daß Frau Hofstatter starb, als die Goleszower Opfer noch nicht beigesetzt waren, und daß man sie alle mit dem vorgeschriebenen Ritus auf diesem einzigartigen jüdischen Friedhof in Deutsch-Bielau bestattete.
Aus den Berichten läßt sich entnehmen, daß diese Beisetzungen die Moral der jüdischen Häftlinge in Brünnlitz enorm gestärkt hatten. Die verrenkten Leichname, die da aus den Waggons gehoben wurden, hatten nichts Menschliches mehr, und ihr Anblick mußte jeden Betrachter um seine eigene Menschlichkeit bangen lassen. Menschlichkeit wiederherzustellen war für beide - Betrachter wie Verstorbene — nur durch das Ritual möglich, und deshalb waren für die Gefangenen die Totengebete jetzt viel wichtiger als früher bei einer der üblichen Trauerfeiern in Krakau. Schindler sorgte dafür, daß der Friedhof instand gehalten wurde: Er bezahlte einen ältlichen SS-Unterscharführer dafür, daß er die Pflege übernahm.Frau Schindler führte nun ebenfalls Aufträge durch. Ausgerüstet
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