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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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über Nacht, und die Häftlinge erkannten instinktiv, daß er keine Macht mehr über sie hatte. Das machten sie sogar Helene Hirsch klar. Aber die konnte trotzdem nicht schlafen. Auf dem Weg aus der Fabrik zum wartenden Wagen, der ihn zum Bahnhof Zwittau bringen sollte, sahen die Häftlinge ihn zum letzten Mal. Allen war jetzt klar, daß er keine Macht mehr besaß, denn er hatte während seines Aufenthaltes nicht das geringste Unheil angerichtet. Und doch brachten es manche nicht viber sich, ihn auch nur anzusehen.
    Noch dreißig Jahre später erschien er in den Träumen von Überlebenden aus Plaszow, von Buenos Aires bis Sidney, von New York bis Krakau, von Los Angeles bis Jerusalem. »Wer Göth gesehen hat, hat den Tod gesehen«, meint Pfefferberg dazu. Man könnte also sagen, daß er, an seinen eigenen Maßstäben gemessen, niemals ein vollständiger Versager gewesen ist.
    Kapitel 37
    Schindler feierte seinen 37. Geburtstag mit all seinen Gefangenen.
    Man hatte einen hübschen Behälter für Kragenknöpfe oder Manschettenknöpfe für ihn angefertigt, und Niusia Horowitz gratulierte ihm auf deutsch im Namen aller herzlich zu seinem Geburtstag. Es war ein Sabbat, und das war passend, denn die Brünnlitzer erinnern sich daran als an einen Festtag. Am Morgen — Schindler hatte bereits die erste Flasche Cognac in seinem Büro aufgemacht und Stern und Garde triumphierend das Telegramm aus Brunn unter die Nase gehalten — rollten zwei mit Weißbrot beladene Lkws in den Hof. Davon wurde einiges an die Wachmannschaft verteilt, man vergaß auch Leipold nicht, der in seinem Privatquartier einen Rausch ausschlief, was nötig war, damit niemand sich darüber beschwerte, wie sehr der Direktor seine Juden verwöhnte. Jeder Gefangene bekam 750 Gramm Brot. Woher das kam, ahnte niemand. Mag sein, der benachbarte Müller Daubek, der es zuließ, daß die Gefangenen Hafermehl in seiner Mühle stahlen, hatte was damit zu tun. An jenem Samstag allerdings verkörperte dieses Brot etwas Magisches; daß es überhaupt da war, grenzte an Zauberei.
    Es war ein Festtag, obwohl eigentlich nicht viel Grund zum Jubeln bestand, denn in der Vorwoche hatte Leipold von Hassebroeck ausführliche Anweisungen darüber bekommen, was mit den Häftlingen im Falle einer Annäherung der Russen zu geschehen habe. Es müsse noch eine letzte Selektion vorgenommen werden; Alte und Gebrechliche seien zu erschießen, die Gesunden sollten den Marsch nach Mauthausen antreten. Die Häftlinge wußten von diesen Befehlen nichts, fürchteten aber bereits etwas Derartiges. Seit einer Woche hieß es gerüchteweise, Polen seien damit beschäftigt, in den Wäldern um Brünnlitz Massengräber auszuheben. Das heute ausgeteilte Weißbrot schien zwar eine schönere Zukunft zu verheißen, doch jedermann ahnte, daß noch Bedrohliches bevorstand.
    Der Lagerkommandant Leipold hatte übrigens ebenfalls noch keine Kenntnis von dieser Anweisung Hassebroecks, weil die zunächst einmal auf Umwegen bei Schindler gelandet war.
    Nachdem der den Inhalt überflogen hatte, sagte er: »Jetzt hilft es nichts, wir müssen Leipold loswerden.«
    Schindler glaubte nämlich, daß einzig Leipold von allen SS-Bewachern noch imstande wäre, die eingegangenen Befehle auszuführen. Sein Stellvertreter war der vierzigjährige Oberscharführer Motzek, der zwar im Falle einer Krise gewiß nicht gezögert haben würde, auf die Häftlinge schießen zu lassen, doch zu kaltblütigem Massenmord an 1300 Gefangenen war er nicht fähig.
    Schon vor seinem Geburtstag hatte Schindler sich bei Hassebroeck über Leipold wegen Mißhandlung seiner Häftlinge beschwert und die gleiche Beschwerde dem in Brunn residierenden SS-und Polizeiführer Rasch vorgetragen. Sowohl Hassebroeck wie Rasch zeigte er die Durchschrift von Briefen an das Büro des KL-Inspekteurs Glücks.
    Die Absicht dabei war, Hassebroeck dazu zu bringen, im Gedanken an früher erwiesene und künftig zu erweisende Wohltaten von seiten Schindlers den Lagerkommandanten Leipold einfach zu versetzen, ohne im einzelnen die von Schindler erhobenen Anschuldigungen zu prüfen; entsprechende Hinweise aus Oranienburg sollten da noch nachhelfen. Es handelte sich um ein für Schindler typisches Hasardspiel, vergleichbar dem, das er mit Göth um Helene Hirsch veranstaltet hatte. Nur, daß es diesmal um alle männlichen Häftlinge ging, angefangen bei dem 48 Jahre alten Automechaniker Hirsch Krischer, Häftling Nr. 68 821, bis zu dem Jahre alten ungelernten Jarum Kiaf,

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