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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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mit gefälschten Papieren, versehen mit Wodka und Zigaretten, besorgte sie im Lazarett von Mährisch-Ostrau Salben gegen Erfrierungen, Sulfonamide und die Vitamine, von denen Biberstein gemeint hatte, sie wären nicht aufzutreiben. Ausflüge dieser Art machte sie nun häufiger, und sie war bald so viel unterwegs wie ihr Mann.
    Weitere Todesfälle gab es nicht. Die Goleszower waren Muselmänner und alle glaubten, daß sich an ihrem Zustand nichts mehr ändern ließ. Frau Schindler wollte sich damit aber nicht abfinden. Biberstein meinte später: »Ohne ihre Hartnäckigkeit hätte von den Goleszowern keiner überlebt.« Nach und nach erholten sie sich so weit, daß sie sich auf den Füßen halten und in der Werkhalle herumschleichen konnten. Als ein jüdischer Häftling einen von ihnen aufforderte, eine Kiste zu tragen, erwiderte der: »Die Kiste wiegt 35 Kilo, ich selber aber nur 32 —wie soll ich die also tragen?«
    In diese unproduktive Fabrik, in der solche Schatten umherwanderten, kam in jenem Winter Hauptsturmführer Göth zu Besuch, um Schindlers guten Tag zu sagen. Die SS hatte ihn wegen seiner Diabetes aus der Haft entlassen. Er trug einen abgetragenen Anzug, möglich, daß es eine Uniform ohne Rangabzeichen war. Bis heute halten sich Gerüchte über den Zweck dieses Besuches. Manche sagen, Göth wollte betteln, andere meinen, Schindler habe bestimmte Sachen für ihn verwahrt — Geld oder Wertsachen, die aus den letzten Geschäften in Krakau stammten und an denen Schindler womöglich beteiligt gewesen ist. Es gibt sogar Leute, die behaupten, Göth habe Schindler gefragt, ob der ihn nicht bei sich beschäftigen könne. Erfahrung hatte er ja ausreichend. Mag sein, Göth wurde von allen drei Motiven geleitet; daß Schindler Geschäfte mit ihm gemacht hat, ist allerdings nicht wahrscheinlich.
    Er war sichtlich abgemagert und gealtert. Das Gesicht war hager und glich mehr dem jenes Göth, der zu Neujahr 1943 das Krakauer Getto liquidiert hatte, allerdings war seine Gesichtsfarbe ein gelbliches Grau. Und wer ihn genauer anzusehen wagte, erkannte eine früher nicht an ihm zu bemerkende Resignation.
    Manchen Häftlingen erschien er wie aus einem ihrer schlimmsten Alpträume entsprungen, als er so überraschend unangekündigt die Werkhalle auf dem Weg zu Schindlers Büro durchquerte; Helene Hirsch erstarrte bei seinem Anblick und hatte nur den Wunsch, er möge verschwinden. Es gab aber auch Häftlinge, die ausspuckten, als er an ihnen vorbeiging, und zischten: Ältere Frauen streckten ihm drohend ihr Strickzeug entgegen. Ihm zu zeigen, daß trotz all seiner Schreckenstaten Adam immer noch grub und Eva spann, das war ihre schönste Rache. Sollte Göth wirklich die Absicht gehabt haben, das Lager Brünnlitz zu übernehmen, hat Schindler ihn entweder davon abgebracht oder sich losgekauft. Alles verlief wie immer. Schindler führte ihn durch die Fabrik, höflich wie er war, und die Häftlinge gaben ihrem Mißfallen noch deutlicher Ausdruck. Man hörte Göth später in Schindlers Büro verlangen, daß dieser die aufsässigen Juden bestrafen solle, und hörte Schindler antworten, das werde er ganz gewiß tun.
    Man hatte ihn zwar aus der Haft entlassen, doch der Fall Göth war längst nicht zu den Akten gelegt worden. Pemper wurde auch in Brünnlitz wieder von einem Untersuchungsrichter der SS zu Göths Transaktionen vernommen und von Leipold davor gewarnt zu plaudern, denn wenn er alles gesagt habe, was er wisse, werde man ihn erschießen. Pemper beharrte also wie schon früher darauf, seine unbedeutende Rolle gespielt und nichts gewußt zu haben. Göth hatte irgendwie davon erfahren und fragte nun seinerseits bei seinem Besuch Pemper darüber aus, was der Untersuchungsrichter habe wissen wollen. Pemper glaubte verständlicherweise, daß Göth sehr mißvergnügt darüber war, daß dieser Zeuge seiner vormaligen Aktivitäten noch lebte und gegen ihn vor dem SS-Gericht aussagen konnte.
    Und obwohl er in einem so reduzierten Zustand war und sozusagen auf Schindlers Territorium, hieß das noch langé nicht, daß man ihn nicht mehr zu fürchten hatte. Pemper wich also aus: »Der Richter hat mir befohlen, mit niemandem über meine Vernehmung zu sprechen.« Göth drohte, sich bei Schindler über ihn zu beschweren, auch daran kann man erkennen, wie sehr er entmachtet worden war. Daß er ehedem von Schindler die Bestrafung eines Häftlings verlangt hätte, statt sie selber vorzunehmen, wäre undenkbar gewesen.
    Göth blieb zweimal

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