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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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mehr abgehalten werden durften, bot man Pfefferberg im Dezember 1940 an, unter den Wohnungssuchenden im Büro des Judenrates Ordnung zu halten und eine Art Bestellkartei zu führen. Das war nur eine Teilzeitbeschäftigung, doch sie gab ihm Gelegenheit, sich relativ frei und unbelästigt in der Stadt zu bewegen. Im Sommer wurde der ÖD mit der erklärten Absicht gegründet, die Juden zu schützen, die aus anderen Teilen der Stadt ins Getto von Podgorze zogen. Pfefferberg trat dem ÖD bei und setzte die Mütze auf. Er meinte, den Sinn dieser Einrichtung zu verstehen: Nicht nur sollte sie für vernünftiges Betragen innerhalb der Mauern sorgen, sondern auch jenes Maß an Fügsamkeit durchsetzen, das in der Geschichte der europäischen Judenheit bewirkt hat, daß die Bedrücker schneller wieder abziehen, daß sie vergeßlich werden und daß man in solchen Phasen der Vergeßlichkeit wieder Luft holen kann.
    Während Pfefferberg dem ÖD angehörte, schmuggelte er Lederwaren, Schmuck, Pelze und Geld aus dem Getto heraus und hinein. Er kannte Oswald Bosko, der am Tor Dienst tat und der das Regime so verabscheute, daß er Rohmaterial ins Getto reinließ, wo es zu Fertigwaren verarbeitet wurde, und diese zum Verkauf in der Stadt wieder hinausließ, und das alles, ohne dafür Geld zu nehmen. Hatte Pfefferberg das Getto, die Wachen und herumlungernden schmalzowniks oder Spitzel hinter sich gelassen, nahm er bei erster Gelegenheit die Armbinde mit dem Judenstern ab und ging in Kazimierz oder im Zentrum seinen Geschäften nach.
    An den Hausmauern, in der Straßenbahn las er die neusten Anschläge und Plakate: Reklame für Rasierklingen; eine Warnung, Partisanen aufzunehmen; die Parole JUDEN - LÄUSE - TYPHUS; sah das Bild einer jungfräulichen Polin, die einem Juden, dessen Schatten ein Abbild des Teufels ist, ein Stück Brot reicht und darunter WER EINEM JUDEN HILFT, HILFT SATAN.
    Vor Lebensmittelgeschäften hingen Darstellungen von Juden, die Wasser in die Milch, Läuse unters Mehl, gehackte Ratten unters Fleisch mischen und Teig mit dreckigen Füßen kneten. Die Notwendigkeit des Gettos wurde auf den Straßen Krakaus gerechtfertigt von Graphikern und Textern des Propagandaministeriums. Pfefferberg, der ganz wie ein Arier aussah, schlenderte lässig unter diesen Kunstwerken dahin, in der Hand einen Koffer voller Kleider, Schmuck oder Geld.
    Seinen größten Coup hatte Pfefferberg im Vorjahr gelandet, nachdem die Hundert-und Fünfhundertzlotynoten aus dem Verkehr gezogen worden waren und alle an Privatbesitz befindlichen Banknoten umgetauscht werden mußten. Juden durften nur 2,000 Zloty eintauschen, das heißt, alles, was sie über diese Summe hinaus an den genannten Banknoten besaßen, war wertlos, es sei denn, sie fanden einen Arier, der bereit war, sich für sie bei der Reichskreditbank anzustellen und die Noten gegen Besatzungsgeld einzutauschen. Pfefferberg und einer seiner zionistischen Freunde hatten etliche hunderttausend Zloty in diesen Banknoten im Getto gesammelt und umgetauscht; das Ganze hatte sie außer Mut nur das Bestechungsgeld für die blaue polnische Polizei gekostet.
    Ein solcher OD-Mann war also Pfefferberg: vortrefflich nach den Maßstäben Rosenzweigs, beklagenswert nach denen der SS in der Pomorskastraße.
    Schindler besuchte das Getto im April, sowohl, weil er neugierig war, als auch, weil ein jetzt dort lebender Juwelier zwei Ringe für ihn in Arbeit hatte. Er fand das Getto viel überfüllter, als er sich vorgestellt hatte - pro Zimmer zwei Familien, es sei denn, man hatte Beziehungen zum Judenrat. Es roch nach verstopften Abflüssen, und die Frauen hielten nur mit Mühe den Typhus fern, indem sie unermüdlich scheuerten und wuschen. »Es geht was vor«, vertraute der Juwelier seinem Kunden an, »der ÖD hat Gummiknüppel bekommen.« Die Verwaltung des Gettos war in Krakau wie im übrigen Polen auf die Abteilung IVb der Gestapo übergegangen, die nun alles, was die Juden betraf, in Händen hatte, und den Abschnitt Krakau leitete Oberführer Scherner, ein kräftiger Mann an die Fünfzig, der in Zivil mit seiner Glatze und den dicken Brillengläsern wie ein blasser Bürokrat wirkte.
    Schindler war ihm schon gesellschaftlich begegnet. Scherner redete viel, weniger vom Krieg als von Geschäften. Er gehörte zu jener Sorte Funktionäre, die man in der mittleren Hierarchie der SS häufig traf, ein Mann, der sich für Alkohol, Frauen und Beutegut interessierte. Die Macht, die ihm so unerwartet zugefallen war,

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