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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Regencape, was angesichts des Wetters weiter nicht auffiel. Richard kannte Wachtmeister Bosko und kam ohne weiteres ins Getto, zu dem er eigentlich keinen Zutritt hatte. Er suchte sogleich Henry Rosner auf, der erstaunt war über diesen Besuch, denn er hatte Richard ja erst vor einigen Stunden in der Kantine gesehen. Noch dazu waren seine Besucher fein herausgeputzt. Rosner war unbehaglich zumute, denn seit zwei Tagen standen die Gettobewohner vor der ehemaligen polnischen Sparkasse in der Jozefinskastraße Schlange, um neue Kennkarten in Empfang zu nehmen, richtiger, in die alten gelben Kennkarten mit dem blauen J bekam, wer Glück hatte, einen blauen Schein geklebt, der offenbar so etwas wie eine weitere Existenzberechtigung dokumentierte, jedenfalls bekamen ihn anstandslos diejenigen, die in der Luftwaffenkantine, in der Wehrmachtsgarage, bei Madritsch, Schindler und in den Progress-Werken arbeiteten. Wem der Blauschein verweigert wurde, der ahnte, daß seines Bleibens im Getto nicht mehr lange sein würde.
    Richard nun sagte zu Rosner, der kleine Olek solle mit ihnen kommen, in die Wohnung von Richards Freundin. Offenbar hatte er in der Kantine etwas munkeln hören. Henry wandte ein, der Kleine könne doch nicht einfach das Getto verlassen. Das sei bereits mit Bosko geregelt, erwiderte Richard.
    Henry beriet sich mit seiner Frau Manci. Die Freundin von Richard versprach ihnen, für Olek zu sorgen. »Steht eine Aktion bevor?« fragte Henry.
    Richard antwortete mit einer Gegenfrage: ob Henry seinen Blauschein habe?
    Selbstverständlich. Und Manci? Ebenfalls. »Aber Olek hat keinen«, sagte Richard. Und so verließ denn im Nieselregen der gerade sechs Jahre alt gewordene Olek Rosner unter dem schützenden Regencape von Richards Freundin das Getto. Hätte man ihn entdeckt, wäre das Leben Richards und seiner Freundin wohl nichts mehr wert gewesen. Und auch Olek wäre nie wieder aufgetaucht. Rosners hofften inständig, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.Poldek Pfefferberg, der für Schindler gelegentlich Gänge erledigte, war vor einiger Zeit von Spira, dem Chef des Ordnungsdienstes und Lagertyrannen, damit beauftragt worden, dessen Kinder zu unterrichten. Spira behandelte ihn nach wie vor verächtlich, schien aber zu meinen, Pfefferberg könnte sich nützlich machen, indem er seine Kenntnisse an die Spirakinder weitergebe. Schindler hörte gelegentlich von Pfefferberg, wie es dabei zuging.
    Der Chef des Ordnungsdienstes bewohnte als einer von ganz wenigen Juden eine Etage für sich und war beim Unterricht anwesend, offenbar in der Erwartung, das vermittelte Wissen wie aufgehende Samenkörner aus den Ohren seiner Kinder sprießen zu sehen. Seine Frau war etwas verschüchtert, wohl wegen der unerwarteten Machtfülle, derer ihr Mann sich erfreute, und auch, weil die alten Bekannten ihr jetzt aus dem Wege gingen. Die Kinder, ein zwölfjähriger Junge und ein vierzehnjähriges Mädchen, waren willig, aber nicht gerade gelehrig.
    Pfefferberg jedenfalls ging zur polnischen Sparkasse in der Erwartung, ohne weiteres den Blauschein zu bekommen. Immerhin unterrichtete er Spiras Kinder, und das dürfte wohl als hinreichende Rechtfertigung angesehen werden. Auf seiner gelben Kennkarte war als sein Beruf Gymnasiallehrer eingetragen, und das wurde in einer vernünftigen, noch nicht total auf den Kopf gestellten Welt doch wohl als ehrenhafte Tätigkeit angesehen.
    Man verweigerte ihm den Blauschein, und er überlegte, ob er sich um Beistand an Schindler oder an Herrn Szepessi wenden solle, den österreichischen Funktionär, der das deutsche Arbeitsamt leitete. Schindler lag ihm schon seit einem Jahr mit dem Wunsch in den Ohren, endlich als Arbeiter in die Emailwarenfabrik zu kommen. Aber Pfefferberg scheute davor zurück: Ein Achtstundentag würde ihn zu sehr bei seinen illegalen Geschäften behindern.
    Als er aus der Sparkasse trat, geriet er in eine Kontrolle; deutsche und polnische Polizei und der jüdische Ordnungsdienst sortierten die Passanten nach Inhabern von Blauscheinen und solchen, die keine hatten. Letztere wurden auf der Straße zusammengetrieben, und es nützte Pfefferberg nichts, daß er mit zur Schau getragenem Selbstbewußtsein behauptete, nicht nur eine, sondern mehrere wichtige Tätigkeiten auszuüben. »Keine Widerrede, du stellst dich zu den anderen!« Pfefferberg blieb nichts übrig, als sich zu den Aussortierten zu stellen.
    Wenigstens besaß seine junge Frau Mila, die er achtzehn Monate früher

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