Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
Vom Netzwerk:
Anfangs erregte das einen naiven Zorn in ihm. Die SS benutzte Juden, um Juden zu verprügeln!
    Nach einiger Zeit wurde ihm aber klar, daß einige OD-Männer mit diesen Schlägen die Opfer vor Schlimmerem bewahrten. Auch gab es eine neue Regel für den ÖD: Wer Hausbewohner »übersah«, der ging selber samt seinen Verwandten auf Transport.
    Auf der Wegierskastraße bildeten sich zwei Menschenschlangen; die eine stand still, die andere schob sich, sobald sie eine bestimmte Länge erreicht hatte, vorwärts und außer Sicht um die Ecke der Jozefinskastraße. Es war nicht schwer, die Bedeutung dieser Vorgänge zu erkennen; Schindler und Ingrid hatten von da oben einen guten Überblick und waren ja auch nicht so sehr weit entfernt.
    Familien wurden aus den Häusern getrieben und den beiden Reihen zugeteilt, ohne Rücksicht darauf, wer zusammengehörte. Heranwachsende Töchter mit den erforderlichen Papieren mußten sich in die haltende Schlange einreihen, während ihre Mütter der anderen zugeteilt wurden. Ein Arbeiter der Nachtschicht, noch völlig verschlafen, fand sich auf dieser, seine Frau und die Kinder auf jener Seite. In der Straßenmitte stritt ein junger Arbeiter mit einem Mann vom OD. Offenbar wollte er zu seiner Frau und seinem Kind in der anderen Reihe, obwohl er einen Blauschein besaß, den er schwenkte. Ein SS-Mann griff ein. Zwischen diesen trostlos wirkenden Gettomenschen nahm er sich in seiner gebügelten Uniform, gut genährt und rasiert, sehr exotisch aus, und von oben konnte man sogar den Ölfilm auf seiner Pistole glänzen sehen. Er versetzte dem Juden einen Schlag aufs Ohr und brüllte ihn an.
    Schindler konnte nicht verstehen, was er da brüllte, aber er konnte es sich nach seinen eigenen Erfahrungen auf dem Bahnhof denken. Der Mann wurde in die Schlange zu seiner Frau und dem Kind gestoßen. Als er sich zu seiner Frau durchdrängte, um sie zu umarmen, gelang es einer anderen Frau, ungesehen in eine Haustür zu schlüpfen. Schindler und Ingrid wechselten jetzt den Beobachtungsplatz, sie ritten auf einen Kreidefelsen, von dem aus man direkt auf die Krakusastraße hinunterblicken konnte. Hier ging es weniger tumultuös zu. Frauen und Kinder wurden hintereinander Richtung Piwnastraße geführt, ein Bewacher vorneweg, ein anderer hinterdrein. Es waren viel mehr Kinder, als die abgeführten Frauen haben konnten, und den Beschluß bildete eine kleine Gestalt ganz in Rot.
    Ingrid behauptete, es müsse ein kleines Mädchen sein, Mädchen hätten eine Vorliebe für starke Farben, besonders für Rot.
    Sie sahen, wie der Waffen-SS-Mann, der am Ende ging, hin und wieder diesen Winzling auf den rechten Weg stupste, nicht etwa roh, sondern mehr wie ein älterer Bruder. Hätte er Befehl gehabt, etwaige Zuschauer davon zu überzeugen, daß hier alles auf humane Weise zuging, er hätte es nicht besser machen können. Die beiden Beobachter im Bednarskiegopark waren denn auch von diesem Anblick gegen ihren Willen beeindruckt. Das war aber nur von kurzer Dauer, denn hinter diesen Frauen und Kindern erschienen nun SS-Leute mit Hunden und nahmen sich beide Straßenseiten vor.
    Sie betraten ein Haus nach dem anderen; Gepäckstücke flogen aus den Fenstern, Frauen, Männer und Kinder, die auf dem Boden, in Kleiderschränken, in Kommoden versteckt der ersten Welle entgangen waren, rannten kreischend vor Angst, von den Hunden gejagt, auf die Straße. Das alles ging so rasch, daß die beiden Zuschauer den Vorgängen nur mit Mühe folgen konnten. Wer aus den Häusern kam, wurde an Ort und Stelle erschossen, die eindringenden Geschosse schleuderten die Körper meterweit, Blut floß in der Gosse. Eine Mutter kauerte mit ihrem mageren, etwa zehn Jahre alten Sohn unter einem Fenstervorsprung.
    Schindler verspürte eine fast unerträgliche Angst um die beiden und konnte sich kaum auf seinem Pferd halten. Ingrid umklammerte krampfhaft die Zügel, er hörte, wie sie neben ihm ächzte. Und er sah wieder das kleine Mädchen in Rot, das noch nicht mit den anderen in die Jozefinskastraße eingebogen war. Dieses Kind also mußte das alles mit ansehen. Warum dieser Umstand das Gemetzel auf der Straße für Schindler noch viel schlimmer machte, hätte er nicht sagen können, aber für ihn war es der schlüssige Beweis dafür, daß diese Menschen da vor nichts zurückschreckten. Unter den Augen der Kleinen, die stehengeblieben war und zuschaute, wurde erst die Frau erschossen, und als sie im Fall den wimmernden Jungen mit sich riß, trat

Weitere Kostenlose Bücher