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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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amüsieren. Da spielte einer dieser Gettomenschen doch wirklich den Soldaten, machte drei SS-Leuten Meldung, rührend, falls es stimmte und geradezu bewundernswert, wenn er sich das nur ausgedacht hatte. Der einzige, der es heute mit Hacken zusammenschlagen versucht hatte. Göth, denn der war es, lachte laut.
    »Da hauen gerade die letzten ab, verschwinde!«Pfefferberg lief los. Er erwartete jeden Moment, eine Kugel in den Rücken zu bekommen. An der Ecke Wegierskastraße bog er ab, rannte am Hospital vorbei und zum Podgorze-Platz, wo die letzte Gruppe von Gettobewohnern stand, nachlässig bewacht von SS und Ukrainern. Zu denen sagte er: »Ich glaube, ich bin der letzte, der da lebend rausgekommen ist.«
    Vielleicht waren die letzten aber auch der Juwelier Wulkan mit Frau und Sohn. Wulkan war einige Monate bei Progress beschäftigt gewesen, und weil er ahnte, was bevorstand, bat er den Treuhänder Unkelbach, im Fall der Räumung des Gettos seine Frau und seinen Sohn nach Plaszow zu bringen und ihr die gewaltsame Evakuierung zu ersparen. Unkelbach versprach es und nahm von Wulkan dafür eine große Diamantbrosche an.
    Seit dem frühen Morgen des 13. März saßen alle drei in der OD-Wache und warteten darauf, daß Unkelbach sie abholte. Das Warten war quälend; der Junge war verängstigt, zugleich langweilte er sich aber auch, und Wulkans Frau machte ihm unentwegt Vorwürfe. Wo Unkelbach nur bleibe, und ob man überhaupt mit ihm rechnen könne? Am frühen Nachmittag kam er dann wirklich auf die Wache, um die Toilette zu benutzen und einen Kaffee zu trinken. Aber was war das für ein Unkelbach? Er trug SS-Uniform, eine blutbeschmierte Uniform, und in der Hand eine Pistole. Er sah Wulkan, aber er nahm ihn überhaupt nicht wahr, er war wie berauscht. Wulkan wußte, er durfte ihn nicht ansprechen, denn nicht nur würde das nichts nützen, sondern es könnte schlimme Folgen haben. Nicht, daß Unkelbach die Abmachung nicht hätte einhalten wollen, er wußte ganz einfach nichts mehr davon!
    Er zog sich wieder zu seiner Frau in den Winkel zurück, wo sie zu dritt warteten. Sie drängte:
    »Warum redest du nicht mit ihm? Wenn du es nicht tust, tue ich es.« Sie lugte um die Ecke, und als sie den Treuhänder in seiner Uniform erblickte, wich sie zurück. Sie war jetzt ebenso verzweifelt wie ihr Mann, und mit Grund. Das machte das Warten irgendwie leichter. Der OD-Mann, der sie hier aufgenommen hatte, sprach ihnen Mut zu. Bis auf Spira und seine Garde müßte auch der ÖD um 18 Uhr das Getto verlassen, und er wolle dafür sorgen, daß Wulkans auf einem Wagen nach Plaszow fahren könnten.
    Nach Einbruch der Dunkelheit, als Pfefferberg und die letzten Gettobewohner vom Podgorze-Platz abmarschierten, als Dr. H. und seine Frau in Gesellschaft und unter dem Schutz einer Gruppe angetrunkener Polen nach Osten wanderten, als das Sonderkommando vor der letzten Durchsuchung des Gettos eine Pause machte, hielten zwei Pferdewagen vor der OD-Wache. Die Familie Wulkan wurde unter Bergen von Akten und Kleiderbündeln versteckt. Spira und seine Spießgesellen ließen sich nicht blicken, sie waren auf der Straße beschäftigt, tranken Kaffee mit der SS, überzeugt davon, daß sie endlich innerhalb des Systems ihren festen Platz gefunden hatten.
    Als die Pferde anzogen, hörte Wulkan vom Getto her erst vereinzelte Schüsse, dann fast kontinuierliches Feuer. Dies bedeutete, daß Göth und Haase, Hujer und Pilarzik und mit ihnen noch Hunderte Dachböden und Keller säuberten, daß sie diejenigen fanden, die den Tag in ihren Verstecken überlebt hatten.
    Es waren mehr als 4000, die so in den Straßen des Gettos ermordet wurden. Zwei Tage dauerte der Transport der Leichen auf offenen Lastwagen nach Plaszow, wo sie außerhalb des Lagers in zwei Massengräbern im Wald verscharrt wurden.
    Kapitel 22
    Wir wissen nicht, in welcher seelischen Verfassung Schindler den 13. März verbrachte, diesen letzten und schlimmsten Tag des Gettos. Aber als seine Arbeiter unter Bewachung in der Fabrik erschienen, befragte er sie nach Einzelheiten, die er Dr. Sedlacek bei dessen nächsten Besuch mitzuteilen gedachte. Er mußte hören, daß im Zwangsarbeitslager Plaszow - so die amtliche Bezeichnung - keinesfalls Vernunft regieren würde. Göth hatte seinen Zorn auf die Architekten bereits an Zygmunt Grünberg ausgelassen. Auf seinen Befehl hin wurde er bewußtlos geschlagen und erst so spät ins Revier eingeliefert, daß sein Tod gewiß war. Von den Häftlingen, die in

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