Schläft das Personal auch an Bord?
nicht falsch verstehen. Nichts gegen einen zünftigen Kostümzauber nach dem Motto: Alles wirft sich in Schale und fühlt sich bedeutend. Das ist lustig und hebt die soziale Performance. Viele Leute gehen ja miteinander meist kultivierter um, wenn sie entsprechend gewandet sind. Aber das darf nicht zur Mauer gegen die Realität werden. So in etwa: Wir sind was Besseres! Das ist man nämlich sowieso in den meisten Häfen dieser Welt, wenn man mit einem weißen Kreuzfahrtschiff vorfährt. Deshalb sollte man – trotz aller Verschmückungslust – an Land immer schön die Bescheidenheit pflegen. Zumal die Realität meist in anderen Ländern etwas weniger rosig ausschaut als an Bord. Das ist nicht nur eine Frage von Anstand und Geschmack, sondern dient der Bewusstseinshebung. Denn anhand des Kontrastes zwischen maritimem Bordleben und Alltagsrealität an Land kann man sich in Erinnerung rufen, wie gut es einem geht! Aufgeklärte Zeitgenossen reagieren darauf mit Dankbarkeit, weniger kluge mit Überheblichkeit.
Wie auch immer. Es ist schön, wenn die äußere Schale Spiegelbild der inneren Haltung ist. Zumal wir in unserem Innern in jedem Fall vielseitiger als immer nur »elegant« oder immer nur »casual« sind. Innen drin sind wir Abenteurer und Forscher, Vagabunden und Bazis, Verführer und Verführte, Fantasten und Kinder, Experten und Begeisterbare, Sieger und Looser. Wer nur EINE Rolle drauf hat, ist ein armer Wicht, denn der kennt sich nicht.
Deshalb sollte man die Garderobe als situationsbedingte Ver-Kleidung verstehen. Als Ausdruck einer momentanen, freigewählten Rolle. Und deshalb sollte man auch sein Schiff danach aussuchen, ob man das sein kann, was man ist. Oder zumindest gerne wäre. Zum Beispiel »locker« oder »der große Gatsby«. Jedem das Gebuchte!
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Gerüchte kochen
Der Weltreisende macht an Bord eines Luxusliners eine Erfahrung, die ganze Generationen von wohlhabenden Engländern kennen: Sie fühlen sich unterfordert. Der begüterte Brite hat sich deshalb schon vor Urzeiten auf das Erlernen von Bewegungsspielen verlegt, die er sich von anderen Kulturen abgeschaut hatte. Und hat sie als kulturelle Höchstleistungen seiner eigenen Zivilisation ausgegeben. So schaute er den benachbarten Schotten ab, wie man eine kleine weiße Kugel mit einem Stock über eine Wiese treibt, auf ein Loch zu – um sie darin zu versenken. Aus unverständlichen Gründen nannte er diese Tätigkeit »Golf«. Kurzsichtige Verwandte fanden das zwar amüsant, doch etwas unbefriedigend, weil sie die kleine Kugel auf der weiten Wiese schnell aus den Augen verloren. Sie ließen sich deshalb größere aus Holz drechseln und schubsten sie mit hammerartigen Schlägern durch Tore hindurch. Neben der besseren Sichtbarkeit hatte das den Vorteil, dass sie sich bei dem »Croquet« genannten Spiel nicht so weit von ihren alkoholischen Getränken an der Bar entfernen mussten. Noch Gehfaulere wollten ganz am Tisch stehen bleiben und nur ein paar Kugeln durch die Gegend schubsen. Damit sie nicht runterfallen konnten, ließen sie einen Rahmen um die Tischplatte bauen und die Fläche mit grünem Filz bespannen. So machten die Kugeln beim Rollen keinen Lärm und man konnte die zivilisierte Form des Gesprächs auch beim »Snooker« akustisch unbelästigt fortführen.
Wie komme ich darauf? Ach ja, die Langeweile.
Will sagen: Es handelt sich dabei um einen weithin zu Unrecht negativ besetzten Bewusstseinszustand, der in erheblichem Maße zur Erholung des Menschen beiträgt. Tiere wissen zum Beispiel nichts über die Länge der Weile, leiden aber an ihrer Muße keineswegs. Undsind (deswegen?) deutlich entspannter als der Kollege »Anthropos«.
Was also tun, wenn einem an ruhigen Seetagen der Himmel auf den Kopf zu fallen droht und man Gefahr läuft, auf dumme Gedanken zu kommen? Genau das: auf dumme Gedanken kommen.
Wagen Sie also – very british – ein Spielchen. Zum Beispiel das Gerüchtespiel. Die Regeln sind einfach und die Handhabung unaufwendig: Sie und eine Person Ihrer Wahl dürfen jeweils mithilfe eines Dritten ein selbst erdachtes Gerücht in Umlauf bringen. Selbstverständlich in vollem Ernst. Wessen selbst angerührtes Gerücht als Erstes wieder bei seinem Koch ankommt, ist der Sieger.
Ein Beispiel:
Gerücht I
Sie nehmen die allein reisende, pensionierte Lehrerin beiseite und vertrauen ihr an (»Kann ich offen mit Ihnen reden?«) , dass es ja in jedem Kreuzfahrtschiff einen Kühlraum gebe, in dem fast immer mindestens
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