Schläft das Personal auch an Bord?
einer läge. Nicht zum Ausruhen, sondern final. Jawohl. Aber bei dem Zustand einiger Passagiere sei das ja auch kein Wunder. Man verstehe natürlich, dass sie frisch gehalten werden müssten. Schon allein wegen der Erben. Die müssten ja schließlich nachweisen können, dass der Erbfall eingetreten ist und der Erbonkel nicht wie Paul Gauguin minderjährige Insulanerinnen bespricht, um sie die schönen Künste zu lehren. »Ist Ihnen in diesem Zusammenhang eigentlich aufgefallen, dass Dr. Dunkelmann schon seit mehreren Tagen nicht mehr zum Essen erschienen ist? Ihm wird doch nichts zugestoßen sein?«
Gerücht II
Ihr Mitspieler zieht den früheren Korvettenkapitän ins Vertrauen und erzählt ihm (»unter uns Pastorentöchtern«), dass der erste Offizier einen sehr bedrückten Eindruck mache. Er, als ehemaliger Korvettenkapitän, kenne doch den Druck der Einsamkeit an Bord. Und so ein erster Offizier sei ja nun für die reibungslose Fahrt des Schiffes von zentraler Bedeutung. Könne man ihm denn nicht jemanden zuführen? »Die Kleine am Empfang schaut ihn immer so empfangsbereit an. Noch nicht gemerkt? Achten Sie mal drauf …«
Dieses Spiel ist deshalb ideal für das Bordleben, weil es erstens alle mit einschließt (auch wenn Sie gar nicht wissen, dass Sie mitspielen), zweitens weil die gestreute Information interessante Veränderungen bei jeder Runde erfährt und weil es drittens einer sehr genauen Beobachtung des Bordlebens bedarf, damit man ein Gerücht streuen kann, das so wahrscheinlich ist, dass es jeder für wahr halten könnte.
Kurzum: Das verantwortungsvolle Betreiben des Gerüchtespiels fördert die Auseinandersetzung mit den mentalen Fähigkeiten seiner Mitreisenden ganzbeträchtlich. Es zeugt überdies von Feinfühligkeit und Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Wahrheit und weist empathisch jedem eine Aufgabe zu, der er gewachsen zu sein scheint.
Nach mehreren Runden – die sich über Tage hinziehen können – heißt es dann allerdings, den Überblick zu bewahren. Vor allem, wenn auch andere das Spiel entdeckt haben und selbst streuen, was das Zeug hält. Das kann einen ganz schön fordern.
Aber wie sagt der Engländer: »No risk, no fun!«
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Große Schiffe
Bei dieser Überschrift stellt sich als Erstes die Frage: Was ist Größe und wie wird sie gemessen? In »Bruttoregistertonnen« oder – mit der neuen Bezeichnung – in »Bruttoraumzahlen«? Das trifft zu, wenn es um die Berechnung der Hafengebühren, der Kosten bei Kanal- oder Schleusendurchfahrten sowie des Lohns für den Lotsen geht. Das wird nämlich alles von der Bruttoraumzahl des Schiffes abhängig gemacht! Womit feststeht: »Size matters!«
Für den zahlenden Passagier dagegen ist eine andere Größe wichtig: Wie viele Passagiere sind an Bord? Und vor allem: Wie viele ergießen sich an Land, wenn das Schiff im Hafen liegt?
Wenn man zum Beispiel in Gibraltar anlandet, ist es ein Unterschied, ob 400 Personen von Bord gehen oder 2000. Die erste zu nehmende Hürde liegt dabei in der generalstabsmäßigen Organisation, mit der 2000 Passagiere an Land kommen können – ohne zu viel Wartezeit mit Schlangestehen zu verbringen. Das schaffen die großen Schiffe erstaunlicherweise sehr genial – und sympathisch. Ich sage nur AIDA .
Die zweite (nicht nehmbare Hürde) stellt sich mit der Frage, ob man noch etwas Neues von Gibraltar sieht, wenn plötzlich 2000 Leute in den kleinen Gässchen auf- und abgehen, die man schon die ganze Zeit vorher gesehen hat. (Die Passagiere, nicht die Gässchen. Die will man ja gerade sehen und kann nicht – genau wegen der vielen Passagiere.)
Vollends negativ wird die Frage beantwortet, wenn man sich dieses Szenario im 300-Seelen-Dorf Geiranger am gleichnamigen Fjord in Norwegen vorstellt oder gar im winzigen Lüderitz in Namibia! Da sieht man sich. Ständig.
Diese Frage stellt sich naturgemäß nicht, wenn Städte angelaufen werden wie Sydney, Barcelona oder New York. Da verlaufen sich 2000 Männlein sehr schnell.
Generell gilt: Große Schiffe sorgen in kleinen Hafenstädten schnell für Tourismus-Frust. Und was will uns der Dichter damit sagen? Spricht das etwa gegen große Schiffe? Keineswegs! Nur bei der Wahl seines Schiffes sollte der kundige Passagier auf die Route und ihre Destinationen achten. Damit er nicht in Häfenvorfährt, in denen Bataillone von Reisenden einigen wenigen Einheimischen gegenüberstehen, die sich verschreckt hinter die Tresen ihrer Souvenirshops zurückziehen, wo
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