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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Vincent hob den Kopf und entdeckte sie. Sofort sprang er auf, blieb dann jedoch etwas unsicher stehen. Es sah aus, als machte er sich Sorgen, weil er hier unangemeldet aufgekreuzt war. Offenbar hatte er Zweifel, wie sie reagieren würde. Natürlich spürte er, was los war.
    Doch dann passierte etwas Seltsames. Sanna ging innerlich nicht auf Abstand zu ihm. Zu ihrer Überraschung spürte sie so etwas wie Freude, ihn zu sehen. Oder Erleichterung. Ihr wurde bewusst: Vincent hatte ihr gefehlt. Das ganze Durcheinander der letzten Tage, der Neuanfang, der Erdrutsch, die Leiche am Hang, schließlich die Sache mit Jakob. Das hatte an ihren Nerven gezerrt. Sie merkte, wie sehr sie sich nach seiner Nähe gesehnt hatte. Nach Ruhe. Danach, festgehalten zu werden. So einfach war es eben doch nicht, alles hinter sich zu lassen.
    Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
    »Hallo, Vincent.«
    »Hallo, Sanna. Ich wollte dich anrufen, aber es hat sich immer nur die Mailbox gemeldet.« Er lachte nervös. »Du hast ja gesagt, da draußen im Stift gibt es oft keinen Empfang. Ist es in Ordnung, dass ich hier einfach …?«
    »Natürlich. Komm her.«
    »Ich hatte Sehnsucht nach dir«, erklärte er. »Da hab ich mir kurzerhand den Nachmittag freigenommen. Ich hab nur ein paar Stunden Zeit. Heute Nacht muss ich wieder zurück. Ich dachte … Na ja, vielleicht brauchst du Hilfe bei irgendwas. Beim Schränke aufbauen oder so.«
    Als sie vor ihm stand, nahm sie seine Hand und zog ihn zu sich heran. Die Tasche mit den Einkäufen ließ sie aufs Kopfsteinpflaster plumpsen. Dann lagen sie sich in den Armen. Es fühlte sich gut an. Sanna wollte jetzt nicht darüber nachdenken, ob sie sich richtig verhielt. Schließlich waren sie und Vincent immer noch ein Paar. Vielleicht gehörten Vincent und sie doch zusammen, dachte sie jetzt, und durch den Umzug nach Marienbüren hatte sie das endlich spüren können.
    Er nahm sie fest in seine Arme und küsste sie. Sie spürte Erregung in sich aufsteigen. Ihre Zweifel wurden unwichtig. Sanna ließ sich fallen. Noch immer sprachen sie kein Wort. Sie stolperten nach oben, Sanna warf die Wohnungstür hinter sich zu, sie nahm seine Hand und führte ihn ins Schlafzimmer. Sie liebten sich wie zu Anfang, als sie sich gerade kennengelernt hatten. Wild, stürmisch, scheu, fordernd. So war es schon lange nicht mehr gewesen.
    Anschließend lagen sie eng umschlungen auf dem Laken, nackt und verschwitzt, und hingen ihren Gedanken nach.
    Vincent betrachtete sie. »Ich hatte Angst, du willst mich vielleicht nicht sehen«, gestand er ihr.
    »Wieso das denn?«, fragte sie, obwohl sie das vor einer Stunde selbst noch gedacht hatte.
    »Keine Ahnung. Du warst in letzter Zeit so abweisend. Ich hatte immer das Gefühl, du willst diesen Neustart hier ohne mich machen. Du …« Er hielt inne. »Ach was, ist ja auch egal jetzt.«
    Sanna fiel in Schweigen. Sie dachte an das Gefühl, mit dem sie in den Zug nach Ostwestfalen gestiegen war. Vincent zog sein Jackett ins Bett und fummelte eine Zigarettenschachtel hervor.
    »Erzähl mal, wie geht’s dir? Wie waren deine ersten Tage in Marienbüren?«
    »Gut«, sagte sie. »Mir geht’s gut. Der Job ist okay, und ich mag dieses Stift und den Wald da draußen. Na ja, meine Chefin scheint auch ganz nett zu sein. Die Nachbarn auf dem Kirchhof sind etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich werde schon klarkommen.« Sie lächelte. »Du musst nur gleich deinen Wagen umsetzen, sonst wird der abgeschleppt.«
    »Ein paar Minuten riskiere ich noch.« Er betrachtete sie eingehend. »Ich meinte auch eher den Erdrutsch. Und das Kind, das da aufgetaucht ist. Wie hast du das verkraftet?«
    Sanna schwieg. Er nahm ein Feuerzeug und zündete sich die Zigarette an. »Das muss doch furchtbar gewesen sein«, sagte er und blies eine Rauchwolke in die Luft.
    Das Kind. Jetzt wusste sie, weshalb es so guttat, dass er hier war. Sie rückte näher an ihn heran, fischte die Zigarette aus seiner Hand und nahm ebenfalls einen Zug. Das Gefühl, beschützt zu sein, überdeckte alles.
    »Ich kann das tote Kind nicht vergessen«, gab sie zu. »Es sah aus wie ein Erdhaufen. Und die Augen, die waren … ich sehe die immer vor mir.«
    »Das waren nur menschliche Überreste, Sanna. Das Kind hat den Körper bereits verlassen, als es gestorben ist. Es bleibt nichts. Nur Materie. Verwesung ist nicht schön, aber es ist ein ganz natürlicher Prozess.«
    »Du hast ja recht.« Sie legte den Kopf an seine Schulter. »Trotzdem. Ich

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