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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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sie ihn im Schlafzimmer zurück. Vincent war klug genug, ihr nicht zu folgen. Sie räumte lautstark die Spülmaschine aus. Packte Fleisch und Gemüse auf die Anrichte und begann damit, es zu putzen und zu schneiden. Nach einer Weile hörte sie Vincent ins Badezimmer schleichen, und kurz darauf wurde die Dusche aufgedreht.
    Am liebsten hätte sie ihn vor die Tür gesetzt. Doch besonders wütend war sie auf ihren Vater. Vor allem verstand sie ihn nicht. Sanna erinnerte sich gut, wie er reagiert hatte, als sie ihm ihre Entscheidung mitgeteilt hatte, Personal Trainer und Yoga-Lehrerin zu werden. Genauso gut hätte sie ihm sagen können, sie wolle zukünftig als Putzfrau arbeiten. Er war außer sich gewesen.
    Schon die Vorstellung, dass Sanna als Sozialpädagogin arbeitete, hatte ihm nicht behagt. Aber dafür musste man zumindest studieren. Außerdem waren die Aufstiegsmöglichkeiten bescheiden. Sie hätte ein Jugendzentrum oder ein Kinderheim leiten können. Wenigstens so lange, bis sie heiratete, Kinder bekam und die Versorgung ihrem Ehemann überließ. Damit hätte er leben können. Aber diese Yoga-Sache, die hatte ihm wirklich zugesetzt. Er hatte sich so lange darüber aufgeregt, bis Sanna zu glauben begann, er betrachtete es als persönliche Beleidigung.
    Und jetzt das: Er schaltete sich ein, um ihr einen Job als Yoga-Lehrerin in Potsdam zu verschaffen. Damit half er doch aktiv dabei, ihr in seinen Augen verpfuschtes Berufsleben unverändert fortzuführen. Da stimmte etwas nicht. Das konnte nur einen einzigen Grund haben: Er wollte sie um jeden Preis aus Marienbüren wegbringen. Mit ihrer Karriere hatte das im Zweifel nicht das Geringste zu tun.
    Beim Essen herrschte frostige Atmosphäre. Vincent versuchte, ihr wieder das Gefühl zu vermitteln, das nach seiner Ankunft entstanden war, doch es gelang ihm nicht.
    Nach dem Essen machte er sich wieder auf den Weg nach Berlin. Er küsste sie zum Abschied mit traurigen Augen. Sanna fragte sich, ob sie ungerecht zu ihm war. Was konnte sie Vincent schon vorwerfen? Dass er sich mit ihrer Familie gut verstand? Auf ihren Vater sollte sie wütend sein, nicht auf Vincent. Trotzdem herrschte nun dicke Luft zwischen ihnen, und daran änderte sich an diesem Abend nichts mehr.
    Nachdem Vincent schließlich fort war, ging sie zurück in die Küche. Die halb leere Weinflasche von Tante Renate stand immer noch in der Kühlschranktür. Sanna, die inzwischen ihre Weingläser ausgepackt hatte, nahm die Flasche und schenkte sich einen kleinen Schluck ein. Dann ging sie hinüber ins Wohnzimmer und hockte sich auf die Couch. Sie wollte nicht mehr an Vincent denken. Jedenfalls nicht heute.
    Draußen war es inzwischen dunkel. Die Regenfront hatte sie erreicht. Sanna hatte den Riegel des Sprossenfensters zur Seite geschoben und es weit geöffnet. Kühle feuchte Luft zog herein. Draußen prasselte der Regen monoton auf den menschenleeren Kirchhof. Sie mochte das Geräusch. Es entspannte sie. Sie nahm einen Schluck Wein.
    Jakob schlich sich in ihre Gedanken. Und das, was Erika Eckart über ihn gesagt hatte. Über seine Diagnose. Jakob sei manipulativ, und sie alle wären auf ihn reingefallen. Sanna wollte das immer noch nicht glauben. Sie dachte daran, wie sie ihn auf der Brücke davon abgehalten hatte, zu springen. Sie hatte ihn gepackt und nicht mehr losgelassen. Jakob hatte sie ebenfalls fest umklammert. Er hatte gewirkt wie ein Ertrinkender. Als wäre Sanna die Einzige, die ihn retten könnte.
    Weshalb Jakob auch immer hatte springen wollen – die Angst und die Verzweiflung waren echt gewesen, da war sie ganz sicher. Seine Verwirrung, seine Bedürftigkeit. Er brauchte ihre Hilfe wirklich, das war keine Manipulation. Diese Diagnose musste falsch sein. Psychologen waren nicht unfehlbar. Auch nicht dieser Professor Dörrhoff, auf den ihre Chefin so große Stücke hielt. Er musste sich einfach irren.
    Draußen war ein entferntes Grummeln zu hören. Offenbar zog ein Gewitter herauf. Sanna beschloss, ihre Tante anzurufen. Sie stellte das Weinglas ab und nahm das Schnurlostelefon.
    »Hallo, mein Engel«, begrüßte Tante Renate sie. »Das ist schön, dass du anrufst. Ist das Wetter nicht grauenhaft? Man möchte meinen, wir hätten inzwischen wirklich genügend Regen bekommen, oder?«
    »Ja, das stimmt. Vor allem, weil Jakob irgendwo da draußen ist. Ich muss immer daran denken. Hoffentlich sitzt er wenigstens im Trockenen.«
    Tante Renate zögerte. »Hat man dir gesagt, dass er aus der Psychiatrie in

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