Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Eckart hat sich das später angesehen. Jakob hat alles über die Geschichte erfahren. Über Sanna und Jannis. All die Artikel in der Bild -Zeitung und aus dem Kreisblatt. Sannas Vater war ja mal so etwas wie eine Lokalberühmtheit.«
In ihrem Kopf rauschte es. Sie sagte nichts.
»Verstehst du, Renate? Er wusste, dass Sannas Bruder gestorben ist. Und er wollte ihre Aufmerksamkeit. Deshalb hat er sich Jannis genannt.«
Sie fühlte sich, als hätte sie einen Tritt bekommen. Sie war völlig durcheinander. Das ließ nur den Schluss zu, dass Jakob sie manipuliert hatte. Sie erinnerte sich an das, was Anne Feller gesagt hatte. Das Krankheitsbild ist viel zu komplex für eine leichtfertige Diagnose.
»Tut mir leid, Renate«, sagte Jens mitfühlend. »Der Junge hat definitiv Probleme. Deshalb müssen wir ihn finden, bevor Schlimmeres passiert.«
»Ja, du hast recht. Ich … ich habe nur …«
Jemand näherte sich. Es war Jens’ Kollege mit der Hakennase, in jeder Hand eine Dönertasche. Er erkannte Renate sofort. Misstrauen legte sich über sein Gesicht. Renate riss sich zusammen. Sie trat den Rückzug an.
»Ich will euch nicht beim Essen stören. Bis demnächst mal, Jens.«
Sie nickte den beiden Männern zum Abschied zu und drehte sich um. Jens rief ihr etwas nach, doch sie achtete nicht darauf. Verwirrt setzte sie sich hinters Steuer und startete den Motor. Diese Neuigkeit musste erst einmal verdaut werden. Sie wollte darüber nachdenken, was das zu bedeuten hatte.
Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte kurz nach eins. In einer Stunde würde Sanna wieder zu Hause sein. Und dann mussten sie miteinander reden.
Harald drückte ihm eine Dönertasche in die Hand und lehnte sich gegen den Wagen. Nachdenklich blickte er Renate hinterher, die in ihren Wagen einstieg.
»Der scheint es zu gefallen, jemanden bei der Polizei zu kennen«, meinte er, und in Böttgers Ohren klang mit: Pass nur auf, was du der so alles sagst. Dabei war es genau genommen Harald gewesen, der das mit der Durchsuchung in Renates Gegenwart ausgeplaudert hatte. Aber Böttger wollte nicht kleinlich werden.
»Wie gesagt, wir waren früher zusammen in einer Clique«, sagte er. »Kaum zu glauben, dass das schon mehr als fünfundzwanzig Jahre her ist. Ist schon seltsam, wie man sich im Leben so wiederbegegnet.«
Er biss in seinen Döner und dachte über Renate nach. Ihr Gang war unverändert. Die Art, wie sie ihre Hüften schwang. Man hätte sie auf den ersten Blick für eine Fünfunddreißigjährige halten können. Doch sie war kräftiger geworden. Und ihrem Gesicht sah man trotz Make-up die Niederlagen an, die sie hatte einstecken müssen. Sie hatte gelebt, das konnte er erkennen. Doch das machte sie in seinen Augen nur attraktiver.
Er ertappte sich bei der Überlegung, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn sie damals ein Paar geblieben wären. Aber das war Unsinn. Es wäre nie gut gegangen. Renate war zu impulsiv. Zu extrem. Natürlich hatte es früher oder später zwischen ihnen zum großen Knall kommen müssen. Außerdem gab es nichts zu bereuen. Er hatte zwei wundervolle Kinder. Er schüttelte den Gedanken ab.
»Keine Sorge«, sagte er zu Harald. »Ein zweites Mal wird das nicht passieren.«
Harald gab ein Brummen von sich und biss in den Döner. Renate fuhr mit ihrem Wagen vom Parkplatz und verschwand aus seinem Blickfeld. Als sie fort war, aßen beide schweigend und hingen ihren Gedanken nach. Als sie die letzten Bissen verdrückt hatten, zerknüllte Böttger seine Papierserviette und meinte: »Sollen wir weiter?«
»Meinetwegen gern. Ich bin so weit.«
Harald nahm mit einem Ächzen auf dem Beifahrersitz Platz. Böttger startete den Wagen. Es ging zum Hof der Blanks. Die Fahrt dauerte keine Viertelstunde. Das Gehöft lag wie verlassen unter dem trüben Himmel. Nichts regte sich. Vorsichtig ließ er den Wagen auf dem Schotterweg zum Eisentor hinabrollen. Sie stiegen aus, und Böttger drückte die Klingel. Er spähte durch die Eisenstreben des Zauns auf das Gelände. Am Wohnhaus bewegte sich eine Gardine. Kurz darauf wurde der Summer betätigt. Das Tor öffnete sich, und sie traten hindurch.
Böttger ließ seinen Blick wandern. Da war der ramponierte Wohnwagen. An dem Zelt vorm Eingang hatte sich ein Stück Plane gelöst, das geräuschvoll im Wind flatterte. Doch sonst gab es am Wohnwagen keine Bewegung. Auch die Scheune lag scheinbar verlassen da. Eine halb verhungerte Katze mit struppigem Fell trat hinter dem Hühnerstall hervor, schlich am
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