Schlafende Geister
Schmerz hoch in den Magen, dass mir schlecht wurde und ich glaubte, ohnmächtig zu werden. Ich zitterte, zuckte, schwitzte in der kalten Nachtluft … am liebsten hätte ich mich wieder zurück auf die Erde gelegt, mich zusammengerollt und geweint.
Doch das Gesicht war vom Fenster verschwunden.
Bishop war auf dem Weg nach unten.
Ich musste weiter.
Ich zwang mich, aufzustehen, zwang mich, einen Schritt zu tun … und der Schmerz zerriss mich wieder. Doch mein Bein hielt durch. Es tat höllisch weh, aber der Schmerz würde mich nicht umbringen. Der Einzige, der mich umbringen würde, war der Mann, der jetzt gerade die Haustür öffnete und mit seinem Samuaraischwert in der Hand hinter mir herkam.
Ich atmete einmal tief durch, riss mich zusammen und rannte los.
Über den Weg, durch das Gartentor, die Straße entlang …
Ich schaute nicht zurück, ob Bishop mir folgte. Das war gar nicht nötig – ich konnte ihn hören. Er rannte, nicht besonders schnell, nicht mit großer Kraft, aber ich war schließlich auch nicht der Schnellste. Ich lief weiter, ohne zu wissen, wohin, einfach nur weiter. Über die Straße, um die Ecke in eine andere Straße und dann – bevor Bishop die Ecke erreichte – sprang ich schwerfällig über die niedrige Hecke eines Bungalows, lief um das Haus und suchte Deckung im Garten. Als ich kurz stehen blieb, um Luft zu holen, hörte ich Bishops Schritte in die Straße einbiegen. Ich verhielt mich still, versuchte, so leise wie möglich zu atmen, und horchte. Einen Moment lang verstummten die Schritte – und ich stellte mir vor, wie Bishop stehen blieb, die Straße entlangsah und sich fragte, wohin ich verschwunden war … dann hörte ich, wie er weiterlief. Über den Gehweg, auf den Bungalow zu, mit immer lauteren Schritten … und dann, endlich, hörte ich, wie sie vorbeiliefen und die Straße hinunter verschwanden. Ich horchte noch eine Weile, falls er umkehrte, doch nach ein, zwei Minuten war ich mir sicher, dass er nicht mehr da war.
Aber ich konnte nicht abschätzen, wann er zurückkommen würde.
Ich sah mich um, schaute, wo ich mich eigentlich befand. Im schwachen Mondlicht erkannte ich, dass es ein ziemlich großer Garten war, das meiste Rasenfläche, mit niedlichen Holzzäunen zu beiden Seiten. Der Rasen wurde von einem betonierten Weg geteilt, der hinunter zu einem weiteren Zaun am Ende des Grundstücks führte, mit einem Tor in der Mitte. Ich wusste nicht, was auf der anderen Seite war, aber es war ein Tor – irgendwohin musste es führen. Und irgendwohin war genau das, was ich brauchte.
Ich hetzte den Weg entlang – halb rennend, halb humpelnd –, hoffte, keine Geräusche zu machen, und horchte die ganze Zeit auf Ray Bishop … doch ich hörte nichts. Ich ließ die Frage nicht zu, wo er jetzt sein könnte oder was er wohl machte. Ich hielt nur den Blick auf den Weg gerichtet und konzentrierte mich darauf, das Tor zu erreichen. Als ich ankam und zu meiner Erleichterung feststellte, dass es nicht abgeschlossen war, schmerzte mein Bein so sehr, dass ich furchtbar gern einen Augenblick stehen geblieben wäre … nur einen kleinen Moment, um Atem zu holen, nachzudenken … aber ich wusste, ich durfte es nicht.
Jetzt war nicht die Zeit zum Nachdenken.
Ich musste nur weiterlaufen.
Ich öffnete das Tor und trat hinaus auf einen schmalen Lehmpfad. Zu beiden Seiten lagen eingezäunte Gärten, und auch wenn ich kaum mehr als zehn Meter in jede Richtung sehen konnte, nahm ich an, dass ich, wenn ich nach rechts lief, zurück auf die Long Road käme, und wenn ich die andere Richtung nähme …
Ich hatte keine Ahnung, wo ich landen würde, wenn ich die andere Richtung einschlug. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich nicht zurück zur Long Road wollte.
Ich lief in die andere Richtung.
Etwa eine Viertelstunde später, nachdem ich mich durch ein Wirrwarr kleiner Wege geschlängelt hatte, landete ich schließlich in irgendeiner Seitenstraße, die auf einen viel befahrenen Kreisverkehr am Nordende der Stadt führte, ganz in der Nähe des alten Bahnhofs. Die Long Road, schätzte ich, lag etwa zwei Kilometer weiter östlich und dort, hoffte ich, war auch Ray Bishop.
Ich ging hinüber zur Bushaltestelle, setzte mich auf eine Bank und zündete eine Zigarette an.
Ich schaute, wie spät es war.
Neun Uhr.
Der Abend war kalt, mein Bein taub …
Ich zog das Handy heraus und rief Cal an.
Es ging niemand dran, es kam keine Mailboxansage, nichts. Das Handy klingelte bloß.
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