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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Holzbank in meinem Garten, trank Kaffee und hörte zu, wie mir Bridget Moran von einem fetten kleinen Jungen und einer Maus erzählte.
    In den letzten zehn Tagen oder so hatte ich Bridget häufig getroffen, hauptsächlich weil sie sich zu guter Letzt von Dave getrennt hatte und nicht so gern allein war, und auch wenn ich sie oft mit ihrem Hund Walter reden hörte, wusste ich, dass sie ab und zu mal unter Menschen musste. Natürlich gefiel mir die Vorstellung, dass es vielleicht ein kleines bisschen mehr als nur das sein könnte, aber falls nicht, war es auch egal. Wenn ich für Bridget einfach bloß ein geeigneter Zuhörer war und alles, was wir je miteinander teilen würden, ein gelegentlicher gemeinsamer Kaffee wäre … dann war das für mich völlig okay.
    Nach der Befragung auf dem Polizeirevier – und nach drei oder vier Tagen lähmender Depression, während der ich nur im Bett liegen und warten konnte, dass mich der schwarze Ort wieder verließ –, tat ich, was Mick Bishop von mir verlangt hatte: Ich kehrte zurück in mein beschissenes kleines Büro und machte weiter meinen beschissenen kleinen Job. Bis auf einen Anruf bei Cal hatte ich zu niemandem Kontakt aufgenommen, der irgendwie mit dem Fall Anna Gerrish zu tun hatte, einschließlich Helen und Graham Gerrish. Ich hatte ihnen nicht mal eine Rechnung geschickt. Ich nahm einfach mein altes Leben wieder auf, machte meine Arbeit … Versicherungsfälle überprüfen, geplatzten Krediten nachgehen, Hersteller von raubkopierten DVDs aufspüren …
    Der Fall Anna Gerrish war für mich erledigt: Ich hatte getan, wofür ich angeheuert worden war; ich hatte Anna gefunden. Es war nicht meine Aufgabe, herauszufinden, wer sie ermordet hatte. Es war nicht meine Aufgabe, weitere Fragen zu stellen. Wer hatte in der Nacht den Nissan gefahren? Wer war Charles Raymond Kemper? Hatte Kemper Anna umgebracht? Hatte Bishop Anna umgebracht? Und wenn nicht, was versuchte er zu verheimlichen? Und wenn doch …?
    Nein, es war nicht meine Aufgabe.
    Im Moment war ich gerade damit beschäftigt, das vermeintliche Schleudertrauma einer 48-jährigen Frau nach einem kleineren Verkehrsunfall zu überprüfen. Dafür wurde ich bezahlt. Und sobald Bridget mit ihrer Geschichte über den fetten kleinen Jungen und die Maus fertig war und ich vielleicht noch ein, zwei Becher Kaffee getrunken hatte … würde ich mich genau um diesen Fall kümmern.
    »Kannst du dir vorstellen, was für eine Art Kind ich meine?«, fragte Bridget.
    Sie saß neben mir, eingemummelt in einen alten weiten Pullover und gefütterte Stiefel, die kurzen blonden Haare unter einer roten Wollmütze versteckt, und trank ihren Kaffee mit beiden Händen um den Becher gelegt, so wie ein Kind Orangensaft aus einem Glas trinkt.
    »Entschuldigung«, sagte ich und lächelte sie an. »Ich war einen Moment ganz weit weg. Wer war noch mal dieses fette Kind?«
    Genau in dem Moment kam Walter durch die Hintertür nach draußen. Einen Moment blieb er auf dem Absatz stehen und schnupperte die Luft, dann schüttelte er den Kopf und zockelte durch den Garten. Bridget beobachtete mit stiller Zuneigung, wie er einen Busch fand, sein Bein hob, in der Erde scharrte und dann wieder ins Haus zurücktrabte.
    »Ihm ist zu kalt.«
    »Du solltest ihm einen Mantel kaufen.«
    »Er hat einen Mantel.«
    Ein Nebelschleier hing in der Luft, durchsetzt von einem bitteren Nesselgeruch. Kleine Vögel flatterten von Mauer zu Mauer und irgendwo in der Ferne hörte ich das Klingeln eines Eiswagens, das nicht in die Jahreszeit passte.
    Ich fühlte mich ganz okay.
    »Na gut«, sagte Bridget. »Hörst du mir denn jetzt zu?«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Okay, also … Mittwochmorgen kam dieser fette Junge in den Laden, um eine Maus zu kaufen …«
    Bridget war Mitbesitzerin einer Tierhandlung in der Stadt. Es war nur ein kleiner Laden, nichts Tolles – es gab keine Chinchillas, keine Schlangen oder Eidechsen, nur Fische, Vögel, Mäuse, Kaninchen …
    »… aber ich hab mich geweigert, ihm eine zu verkaufen.«
    »Du hast dich geweigert, ihm eine Maus zu verkaufen?«
    »Ja.«
    »Wieso?«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich mochte ihn nicht. Er war so ein fieser fetter Junge mit kleinen Schweinsaugen, weißt du, so einer, der alles kriegt, was er will. Wenn ich ihm eine Maus verkauft hätte, wär sie in einer Woche tot. Also hab ich gesagt, er könne keine haben.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »Der kleine Scheißer ist raus und hat seinen Dad geholt. Am Nachmittag

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