Schlafende Geister
Fluss … ist ein netter Pub.«
»Genau, ich saß also da, ein bisschen betrunken …«
»Warst du allein?«
»Ja.«
»Wieso? Ich meine, hattest du keine Freunde, keine Freundin oder so?«
Ich zuckte die Schultern. »Damals hatte ich keine Freundin, nein. Ich hatte Freunde … also, ich meine, ich kannte Leute. Aber ich … keine Ahnung. Ich war einfach gern allein, das ist alles.«
Bridget lächelte. »Na gut. Du warst also allein, ein bisschen betrunken, du hattest einen Drink bestellt … und dann?«
»Sah ich Stacy. Sie war mit einer Gruppe von Leuten da, später stellte sich raus, dass es Lehrer von der Schule waren, an der sie gerade angefangen hatte … wahrscheinlich so ein Freitagabend, wo die Lehrer zusammen einen draufmachten oder so was.«
»Oder eine Feier zum Schuljahresende?«
»Ja … irgendwas in der Art. Es waren ungefähr ein Dutzend – Männer und Frauen, jung und alt – und alle schienen sich ziemlich zu amüsieren. Stacy stand mit einem älteren Mann an der Bar, als ich sie das erste Mal sah. Er war Ende zwanzig, Anfang dreißig und ich dachte, er wär mit ihr zusammen , verstehst du …? So nah, wie er neben ihr stand, ihren Arm, ihre Schulter berührte und ihr ins Ohr flüsterte … ich dachte, sie wären ein Paar. Aber ich konnte trotzdem meinen Blick nicht von Stacy lösen.«
»Wie sah sie aus?«
»Umwerfend … ich meine, einfach wunder-, wunderschön. Nicht auf so eine schicke, glamouröse Weise, sie war einfach … keine Ahnung. Sie hatte irgendwas. Ihre Augen, ihr Gesicht … alles. Sie war das schönste Wesen, das ich je gesehen hatte.«
»Beschreib sie.«
»Was?«
»Ich will wissen, wie sie aussah . Du verstehst schon, war sie groß, klein, blond …?«
»Blond, ja. Kurze blonde Haare, blaue Augen, blasse Haut … sie war nicht groß.« Ich sah Bridget an. »Ungefähr so wie du …«
Meine Stimme verlor sich und ich senkte den Blick, als ich merkte, dass meine Beschreibung von Stacy genauso gut auf Bridget gepasst hätte, und aus irgendeinem Grund war mir das peinlich.
»Und hast du sie angemacht?«, fragte Bridget lächelnd. »Oder hast du den ganzen Abend nur geguckt?«
»Angemacht?«
Sie lachte. »Du weißt, was ich meine.«
»Ehrlich gesagt«, antwortete ich, »wenn Stacy nicht gewesen wär, hätte ich sie wahrscheinlich wirklich den ganzen Abend nur angeguckt.«
»Dann hat sie also den ersten Schritt gemacht?«
»Ja … Ich hatte sie ungefähr eine halbe Stunde beobachtet, als ich plötzlich merkte, dass sie vom Tresen direkt zu mir rüberstarrte. Ich hab natürlich gleich weggeschaut, du weißt schon … wahrscheinlich mit meinen Zigaretten rumgefummelt, mit dem Bierdeckel oder irgendwas, und hab versucht, so zu tun, als hätte ich nicht die ganze Zeit zu ihr hingestarrt, was natürlich nicht klappte. Aber dann hörte ich auf einmal jemanden sagen: ›Hättest du Lust, mir einen Drink auszugeben?‹ Und als ich aufsah, stand sie da, direkt vor mir, mit einem unwiderstehlichen Lächeln im Gesicht.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Ich sagte: ›Wie bitte?‹«
»Sehr cool.«
»Ich weiß. Aber es schien sie nicht zu stören, sie warf nur den Kopf zurück, schaute mich an und wiederholte: ›Hättest du Lust, mir einen Drink auszugeben?‹. Und diesmal antwortete ich: ›Ja, klar, sehr gern.‹ Dann stand ich auf, fing an, in der Hosentasche nach Geld zu suchen, aber alles, was ich dabeihatte, war ein Pfund … eine mickrige Pfundmünze.«
Bridget lachte.
»Daraufhin sagte Stacy zu mir: ›Wie wär’s, wenn du dir ein bisschen Geld leihst?‹ Und das war’s so ziemlich.«
»Das war’s?«
»Na ja, es stellte sich heraus, dass sie nicht mit dem Mann am Tresen zusammen war, er war bloß ein Lehrer von ihrer Schule, der seit dem Tag, als sie dort anfing, hinter ihr her war … er gefiel ihr nicht mal.«
»Aber du gefielst ihr.«
»Also, wir verbrachten den Rest des Abends zusammen und dann das ganze Wochenende und von da an waren wir mehr oder weniger die ganze Zeit zusammen. Es war … ich weiß nicht. Anscheinend brauchte ich nichts anderes mehr … ich wollte nur noch mit Stacy zusammen sein, die ganze Zeit. Alles andere war egal.«
»Du hast sie geliebt.«
»Ja … ja, das hab ich. Ich hab nicht mal dran gedacht, wieder zur Uni zu gehen, ich hab das alles einfach vergessen und bin bei Stacy eingezogen, und während sie weiter in der Schule unterrichtete, nahm ich irgendwelche albernen Jobs an, die gerade zu kriegen
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