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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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gehört meine Stimme nicht mir. Es ist die Stimme eines Mannes ohne Leben, ohne Gefühle. Eine Stimme des Todes.
    »Setz dich«, sagt sie.
    Viner zögert einen Moment, dann lässt er sich schwerfällig zu Boden sinken. Ich stehe über ihm, schaue auf ihn nieder … nieder … nieder …
    »Hör zu, Anton Viner«, sagt die tote Stimme. »Und gib nicht den kleinsten verdammten Mucks von dir, ehe ich dir erlaube zu sprechen. Nick mit dem Kopf, wenn du verstanden hast.«
    Er nickt.
    Ich wische eine weitere Träne aus dem Gesicht und fahre fort. »Vor zwei Wochen wurde eine Frau im Schlafzimmer ihres eigenen Hauses vergewaltigt und umgebracht. Vor einer Woche hat ein anonymer Geschäftsmann 50.000 Pfund Belohnung für den Hinweis ausgesetzt, der zur Festnahme des Täters führt. Deshalb bin ich hier, Anton Viner. Weil ich glaube, dass du der Mörder bist, und ich die 50.000 Pfund will.« Ich unterbreche mich einen Moment, hasse mich dafür, was ich hier tue, aber ich weiß, ich muss es tun, um mir restlose Genugtuung zu verschaffen. »Das einzige Problem ist …«, rede ich weiter, »dass ich es so nicht tun darf. Ich darf nicht in dein Haus eindringen und dir eine Waffe an den Kopf halten, und wenn es die Polizei rausfände, säße ich fett in der Scheiße. Vor allem, wenn sich herausstellen würde, dass du gar nicht der Mörder bist. Damit würde ich mir jede Menge Probleme einhandeln. Deshalb brauche ich von dir einen Beweis, dass du sie umgebracht hast, verstanden? Denn dann kann ich dich einfach einbuchten lassen und mein Geld kassieren, und niemand braucht zu wissen, dass ich bei dir eingedrungen bin und dir eine Waffe an den Kopf gehalten habe. Und selbst wenn du bei der Polizei aussagst, dass ich genau das getan habe, werden sie auf deine Behauptung scheißen. Aber wenn du nicht der Mörder bist, wenn du mir nicht beweisen kannst, dass du sie umgebracht hast … nun ja, dann hätte ich wie gesagt ein Problem, was ich mit dir machen soll. Und ich fürchte, wenn es so wäre, bliebe mir nur übrig, dir in den Kopf zu schießen. Hast du verstanden, was ich dir gesagt habe? Los, sprich.«
    »Ja … ja …«, murmelt er. »Ja.«
    »Gut. Also, hab ich den richtigen Mann gefunden oder muss ich dich umbringen?« Ich beuge mich vor und halte ihm die Pistole ganz oben an den Kopf. »Du hast drei Sekunden für eine Antwort. Eins … zwei …«
    »Ja«, schluchzt er und die Schultern heben sich. »Scheiße … bitte bring mich nicht um … ja, verdammt, ja … ich war’s, ich hab ihr –«
    Ich drücke ihm den Pistolenlauf gegen den Schädel. »Das glaub ich dir nicht.«
    »Bitte! Es stimmt … ich kann es beweisen.«
    »Wie?«
    »Die Sachen … ihre Kleider. Ich hab sie noch …«
    »Wo?«
    »Oben …«
    »Steh auf«, sage ich und trete ihm brutal ins Kreuz.
    Er kommt unbeholfen auf die Beine. »Bitte tu’s nicht …«
    »Halt den Mund. Zeig mir einfach ihre Sachen.«
    Ich folge ihm die Treppe hinauf und schaue zu, wie er den Kleiderschrank im oberen Flur öffnet. Während er sich hineinbeugt, löse ich nicht eine Sekunde den Blick von ihm, sondern halte die Waffe die ganze Zeit weiter an seinen Kopf, für den Fall, dass er was vorhat. Aber er ist zu fertig, um auch nur auf den Gedanken zu kommen, irgendwas zu versuchen. Schluchzend, zitternd und nach Luft röchelnd fummelt er im Schrank rum, zieht eine Einkaufstüte heraus, und noch ehe ich hinschaue, weiß ich, was ich sehen werde.
    »Da«, sagt er, während er die Tüte öffnet und mir zeigt, was drin ist. »Schau … hier sind sie.«
    Natürlich sind es ihre … sind es Stacys Sachen. Alle zusammengeknautscht und bräunlich von Blut. Es sind die Sachen, die sie an dem Tag getragen hat – ein ärmelloses blassrosa Top, eine weiße Bluse, Jeans, ihre Unterwäsche. Aufgeschlitzt, zerrissen, blutverschmiert … zerfetzt.
    Wut steigt in mir hoch und ich ramme die Pistole in Viners Kopf, stoße ihn zu Boden und eine Art Tierlaut dringt aus mir, ein Laut, der Blut und Knochen, Schmerz und Verzweiflung verlangt, und das Einzige, was ich tun will, ist ihn auf der Stelle töten …
    Auf der Stelle …
    Mein Arm spannt sich, der Finger legt sich auf den Abzug …
    Und ich höre auf.
    Nicht jetzt.
    Ich trete ihm in die Rippen … ein Mal, zwei Mal … und noch mal … ich trete so fest zu, dass die Rippen hörbar knacken und sein Körper über den Boden rutscht. Viner stöhnt.
    »Steh auf«, sage ich.
    »Ich kann nicht –«
    Ich trete ihn wieder. Er

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