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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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sich be­weg­te. „Wis­sen Sie, mir ist der Ge­dan­ke ge­kom­men, daß Men­schen, die... man mag... so lan­ge le­ben, bis ir­gend­ein auf­dring­li­cher Trot­tel kommt und ei­nem sagt, sie sei­en tot.“
    „Man hat mir schon vor Jah­ren er­zählt, daß mein Va­ter tot ist“, er­wi­der­te Se­li­na.
    „Ich weiß, aber heu­te hat man es Ih­nen zum zwei­ten­mal ge­sagt. Und dies­mal war ich es, der ihn ge­tö­tet hat.“
    „Es war nicht Ih­re Schuld.“
    „Trotz­dem tut es mir leid. Wol­len Sie nicht doch einen Drink?“ frag­te er et­was freund­li­cher. „Nur um sich auf­zu­wär­men?“
    Sie schüt­tel­te den Kopf, und er beließ es da­bei, doch er fühl­te sich un­be­hag­lich. Er hat­te sich ein­fach dar­an ge­wöhnt, mit Fran­ces zu trin­ken, die wirk­lich ei­ne gan­ze Men­ge ver­trug, und auch wenn sie am En­de des Abends et­was un­deut­li­cher sprach und sich beim ge­rings­ten An­laß mit ihm stritt, hat­te sie am nächs­ten Tag einen kla­ren Kopf wie im­mer, und man merk­te ihr nicht das ge­rings­te an, ab­ge­se­hen viel­leicht von dem leich­ten Zit­tern ih­rer Hand, wenn sie nach der zehn­ten Zi­ga­ret­te des Mor­gens griff.
    Und nun die­ses Kind. Er be­trach­te­te Se­li­na. Ih­re Haut war wie El­fen­bein, cre­me­far­ben und ma­kel­los. Wäh­rend er sie an­sah, nahm sie das Hand­tuch von ih­rem Kopf und be­gann ihr Haar tro­cken­zu­rub­beln. Ih­re Oh­ren rühr­ten ihn, sie ka­men ihm ver­wund­bar vor wie der Nacken ei­nes Ba­bys.
    „Was ma­chen wir jetzt?“ frag­te sie.
    „In­wie­fern?“
    „We­gen des Gel­des. Für Ro­dol­fo und das Flug­ticket nach Lon­don.“
    „Ich weiß es nicht. Ich muß erst dar­über nach­den­ken.“
    „Ich könn­te mei­ner Bank in Lon­don te­le­gra­fie­ren, und sie könn­ten mir das Geld schi­cken.“
    „Ja, das könn­ten Sie.“
    „Wür­de das lan­ge dau­ern?“
    „Drei oder vier Ta­ge.“
    „Glau­ben Sie nicht, ich könn­te ver­su­chen, ein Zim­mer im Ca­la Fu­er­te-Ho­tel zu be­kom­men?“
    „Ich be­zweifle, daß Ro­dol­fo Sie auf­neh­men wird.“
    „Das kann ich ihm nicht mal übel­neh­men. Schon im nüch­ter­nen Zu­stand war To­ni ziem­lich zwie­lich­tig. Be­trun­ken muß er wirk­lich furchter­re­gend ge­we­sen sein.“
    „Ich glau­be nicht, daß er Ro­dol­fo Angst ein­ge­jagt hat.“
    „Nun... Wo soll ich dann blei­ben?“
    „Hier, wo sonst? In der ca­ma ma­tri­mo­ni­al. Ich wür­de ja auf die Eclip­se zie­hen, aber bei die­sem Wet­ter geht das nicht. Au­ßer­dem wird es nicht das ers­te Mal sein, daß ich auf dem So­fa schla­fe.“
    „Wenn ir­gend je­mand auf dem So­fa schläft, dann ich.“
    „Wie Sie wol­len. Mir ist es gleich. Tut mir leid, daß die Ca­sa Bar­co nicht auf Gäs­te ein­ge­stellt ist, aber dar­an kann ich lei­der nichts än­dern. Ich konn­te ja nicht ah­nen, daß mei­ne Toch­ter mich be­su­chen wür­de.“
    „Ich bin nicht Ih­re Toch­ter.“
    „Dann sa­gen wir ein­fach, Sie sind Ge­or­ge Dyer ju­ni­or.“

7

     
     
     
     

    A ls Ge­or­ge Dyer vor sechs Jah­ren nach Ca­la Fu­er­te ge­zo­gen war, hat­te Jua­ni­ta ei­nes Ta­ges vor sei­ner Tür ge­stan­den und mit großer Wür­de ver­kün­det, daß sie ger­ne für ihn ar­bei­ten wür­de. Ihr Mann war Bau­er in San Es­te­ban, sie hat­ten vier Kin­der, die auf die Dorf­schu­le gin­gen. Jua­ni­ta brauch­te die Ar­beit, weil sie das Geld brauch­te, aber nichts an ih­rer auf­rech­ten, stol­zen Hal­tung ver­riet auch nur ei­ne Spur da­von. Sie war ei­ne klei­ne Frau, stäm­mig, ro­bust, mit dunklen Au­gen, kur­z­en Bei­nen und ei­nem rei­zen­den Lä­cheln, des­sen Strah­len nur da­durch be­ein­träch­tigt wur­de, daß sie sich nie­mals die Zäh­ne putz­te.
    Je­den Mor­gen stand sie um halb fünf auf, er­le­dig­te ih­ren Haus­halt, mach­te Früh­stück für die Fa­mi­lie und ging, nach­dem al­le das Haus ver­las­sen hat­ten, den Hü­gel von San Es­te­ban nach Ca­la Fu­er­te hin­un­ter, wo sie um halb acht in der Ca­sa Bar­co ein­traf. Dort mach­te sie sau­ber und koch­te für Ge­or­ge, küm­mer­te sich um den Ab­wasch und die Bü­gel­wä­sche, bürs­te­te die Kat­ze, jä­te­te den Gar­ten und war so­gar be­reit, wenn es nö­tig war, mit dem Ding­hi zur Eclip­se

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