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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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oben?“
    „Si, Señor, ich ha­be nach­ge­se­hen, ob sie schon auf­ge­wacht ist. Aber“, und hier wur­de ih­re Stim­me leicht vor­wurfs­voll, „warum ha­ben Sie mir denn nie ge­sagt, daß Sie ei­ne Toch­ter ha­ben?“
    Ge­or­ge griff nach der So­fa­leh­ne hin­ter sich und setz­te sich hin. „Das ha­be ich nicht?“ frag­te er ver­wirrt.
    „Nein, Sie ha­ben Ih­re Toch­ter mit kei­nem Wort er­wähnt. Und als Ma­ria mir heu­te mor­gen, als ich in Ca­la Fu­er­te war, er­zählt hat, daß die Toch­ter von Señor in der Ca­sa Bar­co ist, woll­te ich es zu­erst nicht glau­ben. Aber es stimmt.“
    Ge­or­ge schluck­te. „Ma­ria hat es Ih­nen al­so er­zählt“, sag­te er. „Und wer hat es Ma­ria er­zählt?“
    „To­meu.“
    „To­meu?“
    „Si, Señor. Da war ein Ta­xi­fah­rer, der sie her­ge­fah­ren hat. Er hat vie­le Stun­den in Ro­dol­fos Bar ge­war­tet, und er hat Ro­si­ta, die dort ar­bei­tet, er­zählt, daß er die Toch­ter von Señor Dyer zur Ca­sa Bar­co ge­bracht hat. Ro­si­ta hat es To­meu er­zählt, als sie Wasch­pul­ver ge­kauft hat, und To­meu hat es Ma­ria er­zählt, und Ma­ria hat es Jua­ni­ta er­zählt.“
    „Und dem ge­sam­ten Dorf, wet­te ich“, mur­mel­te Ge­or­ge auf eng­lisch und ver­fluch­te Se­li­na im stil­len.
    „Señor?“
    „Schon gut, Jua­ni­ta.“
    „Freu­en Sie sich nicht, Ih­re Toch­ter hier zu ha­ben?“
    „Doch, na­tür­lich.“
    „Ich wuß­te nicht, daß Señor ver­hei­ra­tet war.“
    Ge­or­ge über­leg­te einen Mo­ment, dann sag­te er: „Ih­re Mut­ter ist tot.“
    Jua­ni­ta war ent­setzt. „ Señor , ich hat­te ja kei­ne Ah­nung. Und wer hat sich um die Seño­ri­ta ge­küm­mert?“
    „Ih­re Groß­mut­ter“, er­wi­der­te Ge­or­ge und frag­te sich im Stil­len, wann er ihr end­lich die Wahr­heit wür­de er­zäh­len müs­sen. „Sa­gen Sie, Jua­ni­ta... Weiß Ro­dol­fo, daß... die Seño­ri­ta mei­ne Toch­ter ist?“
    „Ich ha­be Ro­dol­fo heu­te noch nicht ge­se­hen, Señor .“
    Das Was­ser koch­te, und sie goß es in die Stein­gut­kan­ne, die Ge­or­ge, wie sie wuß­te, nur für Kaf­fee be­nutz­te. Es duf­te­te köst­lich, doch da­von wur­de Ge­or­ges Stim­mung auch nicht bes­ser. Jua­ni­ta leg­te den De­ckel auf die Kan­ne und sag­te: „ Señor , sie ist sehr schön.“
    „Schön?“ wie­der­hol­te er er­staunt.
    „Aber na­tür­lich ist sie schön.“ Jua­ni­ta trug sein Früh­stück­sta­blett auf die Ter­ras­se. „Der Señor braucht mir nichts vor­zu­ma­chen.“
    Er aß sein Früh­stück, das aus ei­ner Oran­ge, ei­ner sü­ßen En­sai­ma­da und dem Kaf­fee be­stand. Aus dem Haus wa­ren lei­se Ge­räusche zu hö­ren, die an­zeig­ten, daß Jua­ni­ta sau­ber­mach­te. Schließ­lich kam sie mit dem vol­len Wä­sche­korb un­ter dem Arm auf die Ter­ras­se.
    „Die Seño­ri­ta ist ges­tern abend in dem Sturm ganz naß ge­wor­den“, sag­te er, „und ich ha­be ihr ge­sagt, sie soll ih­re Sa­chen auf den Ba­de­zim­mer­bo­den le­gen.“
    „Si, Señor, ich ha­be sie schon ge­fun­den.“
    „Bring sie so schnell wie mög­lich wie­der in Ord­nung, Jua­ni­ta. Sie hat sonst nichts zum An­zie­hen da­bei.“
    „Si, Señor.“
    Sie ging an ihm vor­bei die Trep­pe hin­un­ter zu ih­rer win­zi­gen Wasch­kü­che, wo sie Was­ser in ei­nem großen Zu­ber koch­te, un­be­fan­gen La­ken, Strümp­fe und Hem­den schrubb­te und da­zu ein Stück Sei­fe be­nutz­te, das so groß war wie ein Zie­gel­stein.
     
    Als ers­tes muß­te er mit Ro­dol­fo re­den. Im Haus warf Ge­or­ge einen Blick zur Ga­le­rie hoch, aber dort rühr­te sich we­der et­was, noch war ein Laut zu hö­ren. Ins­ge­heim ver­fluch­te er sei­ne Be­su­che­rin, doch er ließ sie schla­fen und ging hin­aus. Da er kei­ne Lust hat­te, die Ga­r­agen­tü­ren auf­zu­ma­chen und den Wa­gen an­zu­las­sen, mach­te er sich zu Fuß auf den Weg ins Dorf.
    Das soll­te er bald be­reu­en, denn noch be­vor er das Ca­la Fu­er­te-Ho­tel er­reicht hat­te, hat­ten ihm be­reits sie­ben Leu­te da­zu gra­tu­liert, daß er sei­ne Toch­ter bei sich zu Be­such hat­te. Nach je­der Be­geg­nung ging Ge­or­ge et­was schnel­ler, als hät­te er et­was äu­ßerst Drin­gen­des zu er­le­di­gen, und gab sich den

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