Schlafender Tiger. Großdruck.
nicht gefallen, wenn sie erst einmal an Bord wäre. Zuviel Wasser macht ihr angst.“
Selina ließ ihre Hand durch die Fluten gleiten und betrachtete die grünen Pflanzen, die sich in der Tiefe sanft bewegten. „Es ist wie Gras, nicht?“ sagte sie. „Oder wie ein Wald im Wind.“ Da das Wasser kalt war, zog sie ihre Hand zurück und drehte sich zur Casa Barco um. „Es hat eine ganz andere Form als die anderen Häuser“, stellte sie fest.
„Es war einmal ein Bootshaus. Barco heißt Boot.“
„War es das auch noch, als Sie hierherkamen?“
George stützte seine Arme auf die Riemen. „Für eine Geschäftsführerin des George-Dyer-Fanclubs scheinen Sie mein Buch mit auffallend wenig Aufmerksamkeit gelesen zu haben. Oder haben Sie es etwa überhaupt nicht gelesen?“
„Doch, das habe ich, aber nur die Stellen, die von Ihnen handelten, weil ich dachte, Sie wären vielleicht mein Vater. Natürlich stand über Sie gar nichts drin. Es ging nur um das Dorf, den Hafen, die Eclipse und so.“
George ruderte weiter. „Ich habe die Casa Barco zum allererstenmal vom Meer aus gesehen. Ich kam gerade aus Marseille, allein, weil ich keine Mannschaft hatte auftreiben können, und ich hatte ein Mordsglück, diese Stelle zu finden. Ich brachte die Eclipse mit laufender Maschine herein und ging fast an der gleichen Stelle vor Anker, wo sie jetzt liegt.“
„Haben Sie da schon gewußt, daß dies einmal Ihr Zuhause werden würde?“
„Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Ich war viel zu müde zum Denken. Aber ich erinnere mich noch, wie gut die Pinien so früh am Morgen dufteten.“
Sie erreichten den Rumpf der Eclipse. George stand auf, griff nach der Reling, hielt die Fangleine fest, kletterte an Deck und vertäute das Dinghi. Selina reichte ihm Handtuch, Buch und Picknickkorb und kletterte ebenfalls an Bord, während George sich um die Kiste mit der schweren Schiffsschraube kümmerte.
Die Persenning, die George über das Vordeck gebreitet hatte, war inzwischen knochentrocken. Selina ging hinunter ins Cockpit, stellte den Picknickkorb auf einen der Sitze und sah sich um. „Es kommt mir schrecklich klein vor.“
„Was haben Sie denn erwartet? Etwa die Queen Mary? George ließ die Schiffsschraube auf den Boden des Cockpits fallen und schob sie unter einen der Lattensitze, wo sich niemand daran verletzen konnte.
Selina schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht.“
Er richtete sich auf. „Kommen Sie, ich führe Sie herum.“
Die Stufen hinter der Hauptluke führten in die Kajüte mit einem Navigationstisch voller Schubladen für die Seekarten. Dahinter lag eine Kabine mit zwei Kojen und einem Klapptisch dazwischen. „Schlafen Sie hier?“ fragte Selina.
„Ja.“
„Aber wie können Sie in diesen Dingern überhaupt liegen? Die sind doch höchstens einen Meter vierzig lang.“
Mit der geheimnisvollen Miene eines Zauberkünstlers zeigte er ihr die Verlängerung der Kojen unter den Seitenbrettern.
„Ah, ich vestehe. Sie schlafen also mit den Füßen in einem Loch.“
„Genauso ist es. Sehr gemütlich.“
Auf den Regalen standen eine Menge Bücher, gehalten von Stützgittern. Die Kissen auf den Kojen waren blau-rot gemustert, und an der niedrigen Decke hing eine Paraffinlampe an einem Kardanring. Es gab ein paar Fotos der Eclipse in voller Takelage, komplett mit dem buntgestreiften, geblähten Spinnakersegel, und einen offenen Spind, in dem gelbe Öljacken hingen. Schließlich ging er um den weißen Mast herum nach vorn, und Selina folgte ihm in den kleinen, dreieckigen Bug, wo sich die Toilette befand sowie die Ankerkette und die Segelkojen.
„Es kommt mir so klein vor“, wiederholte Selina. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, in so kleinen Räumen zu
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