Schlaflos - Insomnia
angelegt und fletschte so verfaulte Zähne, dass sie nicht bedrohlicher wirkten als Gummistöpsel. Sie stieß ein heiseres, abgehacktes Bellen aus, dann winselte sie verzweifelt.
»Ja! Siehst du ihn nicht, Lois? Schau, da drüben ist er!«
Ralph sprang auf die Füße. Lois stand mit ihm auf und schirmte mit einer Hand die Augen ab. Sie spähte mit verzweifelter Anstrengung den Hügel hinab. »Ich sehe ein Flimmern, mehr nicht. Wie Luft über einem Verbrennungsofen.«
»Ich hab dir gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen!«, schrie Ralph den Hügel hinunter. »Hör auf! Und mach, dass du verschwindest!«
Der kahlköpfige Mann sah in Ralphs Richtung, aber diesmal drückte sein Gesicht keine Überraschung aus; es
war gelassen, unbeeindruckt. Er hob den Mittelfinger der rechten Hand, zeigte Ralph den uralten Gruß und fletschte dann selbst die Zähne - viel spitzer und bedrohlicher als die von Rosalie - zu einem stummen Lachen.
Rosalie duckte sich, während der kleine Mann im schmutzigen Kittel wieder auf sie zukam, dann hob sie tatsächlich eine Pfote und legte sie sich auf den Kopf, eine Geste wie aus einem Trickfilm, die komisch hätte wirken müssen, aber vielmehr das Ausmaß ihrer Angst auf schreckliche Weise verdeutlichte.
»Was kann ich nicht sehen, Ralph?«, stöhnte Lois. »Ich sehe etwas , aber …«
»Geh WEG von ihr!«, brüllte Ralph und hob wieder die Hand zu der Karate-Geste. Die Hand - aus der vorhin dieser kräftige blaue Lichtstrahl hervorgeschossen war - fühlte sich jedoch immer noch wie eine ungeladene Waffe an, und diesmal schien es der kahlköpfige Doc auch zu wissen. Er sah in Ralphs Richtung und winkte ihm kurz und höhnisch zu.
[Ach, hör auf, Kurzer - setz dich, halt die Klappe und genieß die Vorstellung!]
Die Kreatur am Fuß des Hügels richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Rosalie, die zusammengekauert am Stamm einer riesigen alten Kiefer saß. Aus den Rissen in der Rinde des Baums strömte dünner grünlicher Dunst. Der kahlköpfige Arzt beugte sich über Rosalie und hatte eine Hand zu einer fürsorglichen Geste ausgestreckt, die überhaupt nicht zu dem Skalpell passen wollte, das er in der linken Faust hielt.
Rosalie winselte … dann streckte sie den Hals und leckte der Kreatur unterwürfig die Handfläche.
Ralph betrachtete seine eigenen Hände und spürte etwas in ihnen - nicht die Kraft von vorhin, nichts dergleichen, aber etwas . Plötzlich tanzten grelle weiße Funken dicht über seinen Nägeln. Als hätten sich die Finger in Zündkerzen verwandelt.
Lois zupfte inzwischen hektisch an ihm. »Was ist mit dem Hund, Ralph? Was ist mit ihm? «
Ohne darüber nachzudenken, was er tat oder warum, legte Ralph die Hände auf Lois’ Augen, wie jemand, der »Rat mal wer« mit seiner Liebsten spielt. Seine Finger leuchteten kurzzeitig so grell weiß auf, dass er fast erblindete. Muss das Weiß sein, von dem sie immer in der Waschmittelwerbung sprechen, dachte er.
Lois schrie. Sie griff mit den Händen nach seinen Handgelenken, umklammerte sie und ließ wieder los. »Mein Gott, Ralph, was hast du mit mir gemacht?«
Er nahm seine Hände weg und sah eine leuchtende liegende Acht um ihre Augen herum; es war, als hätte sie gerade eine in Puderzucker getauchte Brille abgenommen. Das Weiß begann in dem Moment zu verblassen, als er die Hände wegnahm … aber …
Es verblasst nicht, dachte er. Es sinkt ein.
»Unwichtig«, sagte er und deutete bergab. »Schau!«
Ihre aufgerissenen Augen verrieten ihm alles, was er wissen musste. Doc Nr. 3, der sich von Rosalies verzweifeltem Versuch, seine Freundschaft zu erringen, nicht im Geringsten beeindrucken ließ, stieß ihre Schnauze mit der Hand beiseite, die das Skalpell hielt. Er packte das alte Tuch um ihren Hals mit der anderen Hand und riss ihren Kopf hoch. Rosalie heulte kläglich. Sabber lief seitlich an ihrem Kopf herab. Der kahlköpfige Mann stieß ein
schleimiges Kichern aus, bei dem Ralph eine Gänsehaut bekam.
[»He! Hör auf! Hör auf, den Hund zu quälen!«]
Der Kopf des kahlköpfigen Mannes fuhr herum. Das Grinsen verschwand von seinem Gesicht, und er fauchte Lois an, wobei er sich selbst ein wenig wie ein Hund anhörte.
[Hah, fick dich selbst, du fette alte kurzfristige Fotze! Der Hund gehört mir, das hab ich deinem schlappschwänzigen Freund schon gesagt!]
Der kahlköpfige Mann hatte das blaue Tuch losgelassen, als Lois ihn angesprochen hatte, und jetzt presste sich Rosalie wieder an die Kiefer, verdrehte die Augen, und
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