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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Tisch sanft gequetscht wurde, und sah verblüfft auf. Gretchen Tillbury nickte ihm fast unmerklich zu und kniff ihn noch einmal - jetzt nachdrücklicher.
    »Ja«, sagte Helen. »Du warst da, richtig?« Sie lächelte ein wenig, das war gut, aber was mit ihrer Aura passierte, war noch besser - die winzigen roten Fünkchen verblassten, und die Aura selbst dehnte sich wieder aus.
    Nein, dachte er. Sie dehnt sich nicht aus. Sie lockert sich wieder. Entspannt sich.
    Helen stand auf und kam um den Tisch herum. »Nat wird deiner überdrüssig - gib sie mir lieber wieder.«
    Ralph schaute auf und sah Nat an, die mit großen, faszinierten Augen durch das Zimmer sah. Er folgte ihrem Blick zu der kleinen Vase auf dem Fenstersims. Vor nicht einmal zwei Stunden hatte er sie mit Herbstblumen gefüllt, und jetzt strömte ein dunkelgrüner Nebel aus den Stängeln und hüllte die Blüten mit seinem feinen, dunstigen Schimmer ein.
    Ich sehe, wie sie ihren letzten Atem aushauchen, dachte Ralph. O mein Gott, ich werde nie wieder in meinem Leben Blumen pflücken. Ich verspreche es.
    Helen nahm ihm das Baby behutsam aus den Armen. Nat ließ es fügsam mit sich geschehen, ließ aber die dampfenden Blumen nicht aus den Augen, während ihre Mutter
wieder um den Tisch herumging, sich setzte und sie in die Armbeuge bettete.
    Gretchen klopfte leicht auf die Uhr. »Wenn wir noch rechtzeitig zu der Versammlung heute Mittag kommen wollen...«
    »Ja, natürlich«, sagte Helen ein wenig entschuldigend. »Wir gehören zum offiziellen Begrüßungskomitee von Susan Day«, informierte sie Ralph, »und in diesem Fall ist das nicht ganz so typisch Juniorenliga, wie es sich anhört. Unsere Hauptaufgabe besteht eigentlich nicht darin, sie zu begrüßen, sondern zu ihrem Schutz beizutragen.«
    »Glaubst du, dass das ein Problem wird?«
    »Sagen wir mal so, die Stimmung ist angespannt«, sagte Gretchen. »Sie hat ein halbes Dutzend eigene Leibwächter dabei, und die haben uns sämtliche Drohbriefe aus Derry gefaxt, die sie bekommen hat. Das ist Standardprozedur bei ihnen - sie ist schon seit einigen Jahren im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie halten uns auf dem Laufenden, haben aber durchblicken lassen, dass WomanCare als Organisation, die sie eingeladen hat, ebenso für ihre Sicherheit verantwortlich ist wie sie.«
    Ralph machte den Mund auf, um zu fragen, ob es viele Drohungen gegeben hätte, aber er vermutete, dass er die Antwort darauf bereits kannte. Er hatte mit Unterbrechungen siebzig Jahre lang in Derry gelebt und wusste, dass es eine gefährliche Maschine war - direkt unter der Oberfläche lauerten viele scharfe Spitzen und Schnittkanten. Das traf selbstverständlich auf viele Städte zu, aber in Derry schien das Hässliche schon immer eine zusätzliche Dimension gehabt zu haben. Helen hatte es ihre Heimat genannt, und es war auch seine Heimat, aber...

    Er erinnerte sich an etwas, was sich vor fast zehn Jahren abgespielt hatte, kurz nach dem Ende des jährlichen Kanal-Festivals. Drei Jungs hatten einen bescheidenen und friedfertigen jungen Homosexuellen namens Adrian Mellon in den Kenduskeag geworfen, nachdem sie ihn mehrmals gebissen und auf ihn eingestochen hatten; man munkelte, dass sie auf der Brücke hinter der Falcon Tavern gestanden und zugesehen hätten, wie er starb. Der Polizei sagten sie, dass ihnen der Hut nicht gefallen hätte, den er trug. Auch das war Derry, und nur ein Narr hätte so getan, als wüsste er es nicht.
    Als hätte der Gedanke ihn daran erinnert (was möglicherweise zutraf), betrachtete Ralph wieder das Foto auf der ersten Seite der heutigen Zeitung - Ham Davenport mit erhobener Faust, Dan Dalton mit der blutigen Nase und dem leeren Blick, der Hams Schild auf dem Kopf trug.
    »Wie viele Drohungen?«, fragte er. »Mehr als ein Dutzend?«
    »Etwa dreißig«, sagte Gretchen. »Davon nehmen ihre Leibwächter ein halbes Dutzend ernst. In zweien ist davon die Rede, das Bürgerzentrum in die Luft zu sprengen, sollte sie nicht absagen. Einer - ein echtes Herzblatt - behauptet, dass er eine Big-Squirt-Wasserpistole hat, die mit Batteriesäure gefüllt ist. ›Wenn ich Dich damit direkt treffe, wird Dich nicht einmal mehr eine Deiner Lesbenfreundinnen ansehen können, ohne zu kotzen‹, schrieb er.«
    »Nett«, sagte Ralph.
    »Damit kommen wir auf jeden Fall auf den Punkt«, sagte Gretchen. Sie kramte in ihrer Handtasche, holte eine kleine Dose mit rotem Deckel heraus und stellte sie auf
den Tisch. »Ein kleines Geschenk von

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