Schlamm, Schweiß und Tränen
uns an die Grenzen unserer körperlichen und
psychischen Belastbarkeit brachte. Es war ein absolut traumatisches
Erlebnis, das allein dem Zweck diente, jene Extrembelastung zu simulieren, der ein Soldat bei seiner Gefangennahme durch den Feind
ausgesetzt ist, und diese spezielle Ausnahmesituation für uns auf sehr
realistische Weise nachempfindbar zu machen. Ein extrem unangenehmes und extrem furchterregendes Erlebnis - allerdings ist es mir
nicht gestattet, nähere Einzelheiten über diese Übung preiszugeben
und zu erzählen, was wir tatsächlich durchlebt haben.
Unser Ausbilder hatte uns am Tag, bevor unsere letzte Übung anstand, sehr präzise Instruktionen gegeben.
„Ihr dürft nicht eine einzige, noch so kleine Schwäche zeigen, denn
jede Schwäche werden sie erbarmungslos ausnutzen. Seid clever. Bleibt
trotz Schmerzen und Erschöpfung immer konzentriert. Ein winziger
Fehler und Ihr seid erledigt. Und merkt Euch, dass keiner Euer Freund
ist, bis zu jenem Augenblick, in dem ich hereinkomme mit einem weißen Kreuz auf dem Ärmel. Erst dann ist die Übung vorüber."
„Das Rote Kreuz ist nicht mein weißes Kreuz; das Kreuz eines
Priesters ist nicht mein weißes Kreuz ..., und wenn man Euch einen
Schluck Tee und ein Rosinenbrötchen anbietet, das mit einem Kreuz
aus weißem Zuckerguss verziert ist, dann ist das ebenfalls nicht mein
weißes Kreuz. Habt Ihr das kapiert?"
Er wiederholte es noch einmal. „Vermasselt es nicht - nicht, nachdem Ihr die SAS Selection so gut wie bestanden habt."
Die Taktiken dieser Typen waren brutal, aber äußerst effektiv.
Doch keiner von denen sollte mir jetzt noch die Tour vermasseln. Ich
stand so kurz davor, die SAS Selection zu bestehen. Ich war fest entschlossen, denen nicht die geringste Angriffsfläche zu bieten.
Meine Gedanken überschlugen sich, aber dennoch wusste ich tief
in meinem Innersten, dass ich auf keinen Fall die Kontrolle verlieren
würde, ganz gleich was auf mich zukommt. Die Bastarde würden
mich nicht kleinkriegen. In Gedanken sang ich Loblieder auf den
Herrn und betete ununterbrochen. Lass mich stark bleiben.
Noch nie zuvor hatte ich mich so kaputt und ausgelaugt gefühlt.
Der dröhnende Schmerz in meinem Kopf wurde immer schlimmer und die Muskeln in meinem Rücken wurden von heftigen
Krämpfen geschüttelt. Ich brach immer wieder zusammen. Ich war
erschöpft, hungrig und durstig und ich fror entsetzlich in diesem kalten, unterirdischen Bunker.
Die Minuten kamen mir vor wie Stunden und die Stunden wie
eine Ewigkeit.
War es Tag oder war es Nacht?
Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Endlich, endlich wurde ich in diese winzige, dunkle Zelle geworfen. Dann war um mich herum plötzlich alles still. Doch ich spürte
sofort, dass es wärmer war. Und unter dem Spalt meiner Augenbinde
konnte ich grob die Umrisse des Raumes erkennen.
Ich wartete.
Zusammengekauert und vor Kälte zitternd saß ich halbnackt da,
meine Tarnjacke hatte man mir heruntergerissen, sodass nur noch die
untere Hälfte meines Rücken bedeckt war. Ich muss fürchterlich ausgesehen haben.
Mein Gesicht war über und über mit Rotz verschmiert; ich konnte
regelrecht schmecken, wie er sich seinen Weg bahnte.
Eine Hand zog meine Augenbinde weg und ein Licht ging an.
„Erkennst Du das, Bear?", fragte eine sanfte Stimme.
Ich blinzelte. Der Ausbilder zeigte auf ein weißes Kreuz auf seinem Arm. Ich reagierte nicht. Ich musste das unbedingt in Gedanken
noch einmal ganz genau überprüfen.
„Das bedeutet, dass die Übung beendet ist - Schluss, Ende. Erinnerst Du Dich?"
Ich erinnerte mich zwar, doch ich reagierte noch immer nicht darauf. Ich musste die Sache noch einmal in Gedanken durchgehen und
überprüfen. Dann endlich nickte ich ihm kraftlos zu. Er antwortete
mit einem Lächeln.
Das war das Ende.
„Gut gemacht, Kumpel. Jetzt setz Dich erst mal hin, entspann
Dich und sieh zu, dass Du dieses Zeug hier trinkst. In ein paar Minuten kommt auch der Seelenklempner, um mit Dir zu sprechen."
Der Ausbilder legte mir eine Decke um die Schultern, dann verzogen sich meine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln und ich spürte,
wie mir eine Träne der Erleichterung über die Wange lief.
Danach kam ein Psychiater, der eine ganze Stunde lang sehr ausführlich mit mir über dieses traumatische Erlebnis gesprochen hat. Er
sagte mir, dass ich mich gut geschlagen und den Verhörtechniken erfolgreich widerstanden hätte. Ich war einfach nur erleichtert. Ich
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