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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bear Grylls
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Überleben.
    Die Temperatur betrug minus 40 Grad Celsius.
    Um zwei Uhr in der Nacht war noch immer nichts von den Sherpas zu sehen und Neil und ich fingen langsam an, ganz schrecklich zu
frieren. Denn bei einem so geringen Sauerstoffdurchfluss von nur
zwei Litern pro Minute kann es leicht zu Erfrierungen kommen - das
geht ganz leise und ganz schnell.
    Plötzlich war der ganze Himmel hell erleuchtet.
    Die Berge rundum wurden auf einmal in gleißend helles Licht getaucht, zuerst war es taghell, dann wurde es wieder dunkel. In den
Talschluchten grollte der Donner.
    Davon stand aber nichts in der Wettervorhersage, dachte ich noch.
    Wenige Sekunden später, zuckte erneut ein Blitz durch den Himmel. Es war ein Gewittersturm, der durch die Talschluchten heraufzog.
    Doch wenn er bis zu uns vordringen würde, könnte das fatale Folgen haben. Denn er würde hier oben am Berg einen fürchterlichen
Schneesturm entfesseln, den wir unmöglich überleben könnten.
    Irgendwo unterhalb von uns kämpften auch Geoffrey und Michael ihren einsamen Kampf mit dem Berg.
    Doch wir Menschen neigen in aller Regel dazu, in der Todeszone
des Mount Everest unseren Kampf mit dem Berg zu verlieren.

     

GeOffrey hatte Probleme mit seinem Sauerstoffgerät.
    Der Sauerstofffluss ließ sich nicht richtig regulieren und war sehr
ungleichmäßig, wodurch er Atemnot bekam. Zunächst kämpfte er
sich zwar noch weiter bergauf, aber schon bald musste er sich eingestehen, dass es einfach sinnlos war. Er kehrte um. Sein Versuch einer
Gipfelbesteigung war zu Ende.
    Auch Michael entschloss sich umzukehren. Er war völlig erschöpft. Der heraufziehende Gewittersturm hatte letztlich den Ausschlag für den Abstieg gegeben. Michael kletterte schon sein ganzes
Leben lang und er kannte daher nicht nur seine Grenzen, sondern
auch die goldene Verhaltensregel bei veränderter Wetterlage im Gebirge. „Hat man Zweifel, ob das Wetter hält, muss man zweifellos absteigen."
    Beide begannen langsam mit dem Abstieg in Richtung Südsattel
- unterdessen warteten wir am Balkon auf die Sherpas.
    Um drei Uhr nachts - mittlerweile schlotterten wir nur so vor Kälte, denn wir hätten, ohne uns zu bewegen, nicht sehr viel länger überleben können - sahen wir weiter unten die Stirnlampen der Sherpas
aufleuchten, die langsam zu uns heraufstiegen.

    Dann versuchten wir mühsam, mit steif gefrorenen Fingern, unsere Sauerstoffflaschen auszutauschen. Unten im Basislager hatten wir
diese Prozedur zwar bis zur Perfektion geübt, aber hier oben im Dunkeln bei zweistelligen Minusgraden gestaltete sich das Ganze sehr viel
schwieriger.
    Ich schaffte es einfach nicht, das Gewinde der Zylinderventile an
der Sauerstoffflasche aufzuschrauben, um den Regulator draufzusetzen. Denn im Dunkeln in dieser Eiseskälte kleine, festgefrorene Gewindeventile zu lösen, ist ein echter Scheißjob.
    Mir blieb also nichts anderes übrig, als meine Überfäustlinge auszuziehen, damit ich den Regulator besser greifen konnte.
    Da mein ganzer Körper mittlerweile vor Kälte unkontrollierbar
zitterte, habe ich den Regulator schief auf das Zylinderventil der Flasche geschraubt. Es blockierte sofort.
    Ich fluchte lautstark.
    Neil und Alan waren inzwischen startklar. Neil kniete neben mir
und wartete. Doch Alan stand auf und marschierte einfach los in
Richtung Gipfelgrat.
    Ich fummelte hektisch an dem Regulator herum.
    Komm schon, Du verdammtes Scheißding.
    Ich merkte, wie die ganze Situation mir irgendwie aus den Händen glitt. Wir waren doch viel zu weit gekommen, um jetzt noch zu
scheitern - viel zu weit.
    „Mach schon, Bear, verflucht noch mal, sieh zu, dass Du das jetzt
hinkriegst", stammelte Neil durch seine Maske.
    Mir war klar, dass ich ihn aufhielt, aber das Ventil war blockiert
und ich konnte nichts dagegen tun, außer zu versuchen, den Regulator
wieder abzuschrauben und gerade auf das Zylinderventil aufzusetzen.
    Neil hatte derweil jegliches Gefühl in seinen Füßen verloren. Das
war ein schlechtes Zeichen. Denn mit jeder Minute, die er länger wartete, stieg auch sein Risiko, schlimme Erfrierungen zu erleiden. Dann
endlich schaffte ich es, das Gewinde aufzuschrauben. Ich setzte den
Regulator sorgfältig auf das Zylinderventil und dieses Mal rastete er
ein und ich konnte ihn festschrauben.
    Wir machten uns auf den Weg.

    Plötzlich blieb einer der drei Sherpas stehen. Stumm zeigte er gen
Himmel und schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich um und stieg
wieder nach unten, ohne

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