Schlangenblut (German Edition)
lassen und damit einen Köder für Fletcher auslegen.«
Lucy war in Gedanken schon viel weiter. »Schon möglich. Aber bis es so weit ist, muss ich Sie um etwas bitten. Wenn Sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, dann sagen Sie es mir bitte gleich.«
Sein Adamsapfel hüpfte beim Schlucken. »Worum geht’s?«
»Darum, dass Sie nicht mehr mit Ames sprechen, nicht mehr in ihre Nähe kommen und sie nicht mehr ficken dürfen, bis Ashley in Sicherheit ist.«
Er ließ sogar für einen Moment den Verkehr aus den Augen, als er sich zu ihr umdrehte, ihr einen unschuldigen Ministrantenblick zuwarf und feierlich nickte. »Selbstverständlich. Die Kleine geht vor.«
Ihr fiel auf, dass er Ashley nicht mehr bei ihrem Namen nannte.
***
»Hey, wach auf. Du bist jetzt in Sicherheit. Alles wird gut.«
Die Worte kreisten um ihr Bewusstsein wie flaumige Sommerwolken, dünn und zart und unerreichbar. Es war eine Männerstimme, so viel drang zu ihr durch. Er hielt sie in seinen Armen und wiegte sie wie ein Kleinkind.
»Hier, trink das. Langsam, langsam.«
Ein wenig Flüssigkeit lief ihr übers Kinn, aber der Löwenanteil ergoss sich so schnell in ihre Kehle, dass sie einen Erstickungsanfall bekam. Sie hustete und riss die Augen auf. Dunkle Flecken tanzten vor ihren Augen, und sie sah nur schattenhaft.
Der Mann wiegte sie in seinem Schoß, aber sie konnte sein Gesicht nicht sehen. Er hielt ihr eine Wasserflasche an die Lippen, und sie trank. Als er sie wegziehen wollte, schnappte sie danach.
»Nein, trink nicht zu schnell, sonst wird dir schlecht.«
Sie wehrte sich nicht, sondern ließ die Hand in ihren Schoß sinken und wartete auf seinen nächsten Schritt.
»Ich brauche ein paar Werkzeuge aus meinem Wagen, um dich loszuschneiden.« Er ließ sie von seinem Schoß auf den harten Boden gleiten. In der Ferne sah sie einen dunklen Berg von Schlangen. Voller Entsetzen griff sie nach seinem Hosenbein, ohne zu ihm aufzublicken, die Augen starr auf die Schlangen gerichtet.
»Keine Angst, die tun dir nichts. Ich bin gleich wieder da.« Sie schlang den Arm um sein Bein und hielt sich daran fest. Er bückte sich und löste sanft ihren Griff. »Schon gut, du bist jetzt in Sicherheit. Vertrau mir.«
Dann war er fort, und sie war wieder allein.
Ihm vertrauen? Die Worte waren bedeutungslos. Das Einzige, was in ihrer Welt von Bedeutung war, war die Bedrohung durch die Schlangen, die Angst davor, wieder in der Dunkelheit allein zu sein, eine Angst, die sie mit jedem Atemzug empfand. Sie zog die Knie an, damit ihr Körper eine möglichst kleine Angriffsfläche bot.
Ohne den Kopf zu bewegen, sah sie sich in ihrem Gefängnis um. Es war eine Scheune. An den Dachsparren über ihr hingen Eimer – aus denen, wie sie vermutete, die Schlangen gekommen waren. Doch wo war der Mann, der sie da hineingetan hatte? Wer hatte sie hierherverschleppt?
Schlangen glitten um Heuballen, die zu Wänden aufgestapelt waren. Das einzige Licht drang durch eine offene Tür an einem Ende der kleinen Scheune. Weitere Heuballen verstellten die Tür, so dass sie lediglich das helle Licht im oberen Teil der Öffnung sehen konnte. Auf der anderen Seite der Scheune waren die Heuballen zu Sitzen gestapelt.
Ihre Finger spreizten sich zu Klauen, als sie voller Entsetzen ihr »Publikum« sah. Drei vage an Menschen erinnernde Gestalten saßen da, während Schlangen über sie krochen und die Plastikfolien, in denen sie steckten, rascheln ließen, als wären sie noch am Leben.
Doch sie waren nicht mehr am Leben.
Ashley wurde von Panik erfasst, und ihr Herzschlag steigerte sich in einen wütenden Rhythmus, der sie zu ersticken drohte. Sie krabbelte rückwärts, so weit die Kette reichte, ohne sich um die Schlangen zu kümmern, sie wollte nur so weit wie irgend möglich von den drei Leichen weg.
Sie drehte sich auf den Bauch und stürzte auf die Tür zu, auf die Freiheit, die dahinter winkte. Die Kette riss sie zurück, sofort schrie ihr Knöchel um Gnade. Sie streckte sich und versuchte, sich in das Linoleum zu krallen, das nur knapp außerhalb ihrer Reichweite endete. Wo war der Mann, ihr Retter? Er hatte doch versprochen …
Wie als Antwort auf ihre stillen Gebete kam er zurück, ein großer, von Licht umringter Schatten.
»Hast du mich schon vermisst?«, fragte er strahlend, einen großen Bolzenschneider in der Hand. Er setzte ihn unverzüglich auf das Kabel um ihren Knöchel an. »Das könnte jetzt ein bisschen weh tun.«
Sie lag einfach nur stumm mit dem Gesicht
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